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Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 03 - Die Engelskrieger
Autoren: Kai Meyer
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»Das ist alles?«
    »Freien Abzug für mich und meine beiden Getreuen.«
    »Die Kirche kann keinen Ketzer mit Euren Verfehlungen laufen lassen.«
    »Ihr seid die Kirche, Eure Eminenz. Männer wie Kardinal de Rossi haben Euch dazu bestimmt. Ihr könntet eine solche Entscheidung treffen.«
    »Ich könnte mich scheinbar auf Euren Handel einlassen, den Borgia zerquetschen und Euch im Nachhinein dennoch festnehmen lassen. Wie wollt Ihr das ausschließen?«
    »Durch zwei Dinge. Das erste ist Euer heiliges Ehrenwort« – das so gut wie nicht wert ist, setzte Faustus in Gedanken hinzu, »und das zweite ist die Tatsache, dass ich am Sturm auf das Versteck Eures Feindes teilnehmen werde. Ich will mit Euch kämpfen, Eure Eminenz, ja, sogar für Euch. Ich gedenke nicht, im Kerker Eures Palastes auszuharren und abzuwarten. Lasst mich dabei sein.« Merklich kühler fügte er hinzu: »Und lasst mich den Borgia fallen sehen.«
    »Warum hasst Ihr ihn so sehr?«
    »Und Ihr?«
    »Seine schiere Existenz hat den Heiligen Stuhl auf lange Zeit befleckt«, erwiderte der Papst, und Faustus hatte den Eindruck, dass es ihm sehr ernst mit diesen Worten war. »Er hat dieses Amt in Verruf gebracht, er hat unseren Glauben mit Füßen getreten – schlimmer als jeder gemeine Ketzer es könnte. Und wenn es wahr ist, was Ihr behauptet, Doktor Faustus, dann tut er es noch heute. Er hat das Herz der Kirche mit seinem Giftstachel berührt und auf lange Zeit verpestet. Aber ich werde ihm diesen Stachel ziehen.«
    Und vielleicht dafür in die Geschichte eingehen, setzte Faustus in Gedanken hinzu. Ein Mann wie Leo X. tat nichts allein für den Glauben oder den Heiligen Stuhl. Aber ein Sieg über den Borgia, die Ausrottung seiner teuflischen Saat, war ein Triumph, den man lästigen Schuldeneintreibern entgegenhalten konnte. Wie sollte sich der Papst um etwas so Nebensächliches wie seine Schatzkammern kümmern, wenn er doch im Geheimen längst den großen Schlag gegen den Feind aller Christen vorbereitete?
    Und Kardinal de Rossi? Was ihn anging, so war Faustus noch immer nicht sicher. Vermutlich würde er nie erfahren, ob der Kardinal mit den Verschwörern unter einer Decke steckte. Doch solange der Papst selbst alle nötigen Anweisungen gab, konnte auch de Rossi ihnen nicht widersprechen.
    »Ein Handel«, murmelte der Heilige Vater nachdenklich. »Nun, wenn es das ist, weswegen Ihr gekommen seid, so ist nun wohl die Zeit gekommen zu feilschen.«
    Faustus blickte ihn schweigend an, während er darauf wartete, dass der Papst in seiner Rede fortfuhr.
    »Ihr sollt Rom ungestraft verlassen, Faustus, so viel will ich Euch zusichern. Aber ich gedenke, dieser Engelspest ein für alle Mal ein Ende zu setzen, und zwar mit Stumpf und Stiel. Deshalb sollt Ihr gehen und Ihr sollt Euren Schüler mitnehmen. Doch das Mädchen, das Euch begleitet, diese abtrünnige Erleuchtete … sie werdet Ihr mir ausliefern. Sie ist des Todes wie all die andere Brut, die die Regentschaft des Borgia hervorgebracht hat.«
    »Ihr wollt Angelina?«
    »Wenn Ihr sie denn so nennt«, sagte der Papst. Der Kardinal neben ihm lächelte verhalten.
    Faustus nickte. »Einverstanden«, sagte er dann.
     
    Die Männer folterten Angelina.
    Sie hatten ihr die Ledermaske heruntergerissen. Während sie über die Narbenwüste ihres Gesichts lästerten und lachten, ketteten sie sie auf eine Streckbank, fetzten ihr die Kleider vom Leib und machten sich zu zweit daran, das große Rad am Fußende der Bank zu drehen. Angelinas Körper dehnte sich.
    Ich tobte, schrie in den Knebel, den sie mir in den Mund gestopft hatten, und warf mich wie ein Wahnsinniger in meine Fesseln. Alles vergeblich. Ich hätte die Augen schließen können, doch eine Stimme in meinem Inneren ermahnte mich, dass ich es mir damit zu einfach gemacht hätte. Ich war es Angelina schuldig, auf jede erdenkliche Weise an ihren Qualen teilzuhaben. Und wenn es nur die Tatsache war, dass ich mich nicht von ihr abwandte, dass ich bei ihr war, egal, wie unser gemeinsamer Weg zu Ende ging.
    Warum? schrie es immer wieder in meinen Gedanken. Warum sie?
    Ich wusste, dass es keine Antwort darauf gab. Keine Begründung. Der Borgia hatte die Entscheidung aus einer Laune heraus getroffen. Vielleicht auch, weil es ihm Freude bereitete, eines seiner eigenen Geschöpfe zu demütigen. Wahrscheinlich aber war selbst das bereits zu viel in seinen Urteilsspruch hineingedeutet. Seine Gleichgültigkeit war vollkommen, er sah der Folterung nicht einmal zu. Mit uns
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