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Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt
Autoren: Kai Meyer
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Nutzen gebracht hatte. Abgesehen von der Unmöglichkeit, einen Pfeil zielsicher vom Rücken eines galoppierenden Pferdes abzuschießen, verlief auch der Weg bergauf in einer Vielzahl von Biegungen und Schleifen, so daß das Schußfeld stets durch Bäume und Abhänge blockiert war.
    Schon rückte die Wartburg näher und näher, und es mochten kaum noch hundert Schrittweit sein, die Asendorf vom Burgtor trennten. Da ging mit einem Mal alles so schnell, daß weder Faustus noch die anderen auf den ersten Blick begriffen, was wirklich geschehen war. Plötzlich knickte Asendorfs Pferd mit den Vorderläufen ein, strauchelte und warf seinen Reiter in hohem Bogen ab. Mit einem Aufschrei stürzte der Inquisitor ins Unterholz.
    »Vorsicht! Nicht weiter!« schrie Faustus den anderen zu, vor allem aber Lara, die immer noch um einiges vorausritt.
    Die Gauklerin brachte ihr Pferd mit einem heftigen Ruck zum Stehen und sah Faustus erstaunt an. Auch die anderen zügelten ihre Tiere. »Seht, dort unten«, sagte Faustus und wies mit ausgestrecktem Finger vor Laras Pferd auf den Weg. Nun, da sie direkt davorstanden, sahen alle ganz deutlich, was er meinte.
    Ein dünnes Seil war auf Kniehöhe über den Weg gespannt. Asendorfs Pferd war mitten hineingelaufen. Das Tier lag mit gebrochenem Vorderlauf am Waldrand. Einer der Gaukler stieg ab und befreite es von seiner Qual.
    Faustus blickte hinauf zur Burg. Es war nun beinahe dunkel, und er vermochte nicht zu erkennen, ob jemand auf den Zinnen des Bergfrieds stand. Trotzdem hätte er jeden Eid darauf geschworen, daß Berlepsch von dort aus das Geschehen beobachtete. Und er war sicher, daß ihnen der Hauptmann erneut durch eine List zur Hilfe gekommen war. Als Berlepsch aus der Ferne gesehen hatte, daß Asendorf den Weg zur Burg einschlug, hatte er seinen Leuten in aller Eile befohlen, das Seil über die Straße zu spannen. Später würde er es wieder entfernen; keine Spur wies dann mehr darauf hin, daß der Abwurf des Inquisitors keine natürliche Ursache hatte. Es würde nicht schwerfallen, die Schuld auf ein Erdloch oder eine Wurzel zu schieben.
    Während Faustus das Seil mit einem Schwerthieb durchtrennte, machten die Gaukler den Inquisitor ausfindig. Er lag stöhnend im Dickicht und versuchte vergeblich, seinen Verfolgern kriechend zu entkommen. Mochte sein, daß eines seiner Beine gebrochen war. Faustus machte sich nicht die Mühe, es herauszufinden. Er wußte, was Asendorf bevorstand. Ein Knochenbruch war im Vergleich dazu ohne Bedeutung.
    Die beiden Gaukler packten den Hexenjäger an den Armen und zerrten ihn tiefer ins Unterholz. Asendorf bemühte sich, zu protestieren, doch aus seiner Kehle entwich nur ein schmerzerfülltes Keuchen. Er war beinahe ohnmächtig. Auch das würden die Gaukler ändern. Der Inquisitor sollte wissen, was mit ihm geschah. Er sollte es spüren.
    Nach etwa fünfzig Schritten ließen ihn die beiden Männer auf einer kleinen Lichtung ins Gras fallen. Die Dunkelheit kam nun immer schneller, und es dauerte eine Weile, ehe die Gaukler ein kleines Feuer entzündet hatten. Die ganze Zeit über lag Asendorf am Boden, stöhnte, spuckte, zuckte mit allen Gliedern und war doch unfähig zu fliehen. Die Flammen spiegelten sich als glühender Schimmer auf seinem glänzenden Gesicht. In der Ferne grollte der erste Donner.
    Lara und die beiden Gaukler entledigten sich der Säcke und Stoffbahnen, die sie zum Schutz vor den Wespen um ihre Kleidung gewickelt hatten. Dann rissen sie dem Inquisitor die Gewänder vom Leib, bis er nackt und schutzlos am Boden lag. Einer von ihnen brachte in den Flammen eine Dolchklinge zum Glühen.
    Faustus beobachtete das Geschehen vom Rande der Lichtung aus. Er lehnte an einem Baumstamm, kaute auf einem Grashalm und sah zu. Er wußte, daß er nichts an Asendorfs Schicksal ändern konnte. Niemand würde auf seine Einwände hören; zudem war er nicht sicher, ob er überhaupt welche hatte. Es stand außer Zweifel, daß der Inquisitor jede Unze Schmerz verdient hatte, die ihm die Gaukler zufügen konnten. Lara und ihre Leute hatten den Weg nach Eisenach und den Kampf gegen die Landsknechte allein aus Rachsucht auf sich genommen, das wußte Faustus mittlerweile. Und ihre Rache wollten sie nun nehmen. Niemand konnte ihnen das verübeln.
    Sie fesselten Asendorfs Hände, hoben ihn unter den Achseln hoch und schleppten ihn zum nächstbesten Baum. Lara schlug mit dem Schwert einen der unteren Äste ab, eine Handbreit vom Stamm entfernt. Die beiden Männer
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