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Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt
Autoren: Kai Meyer
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Bibelzwergs, der daraufhin erschrocken keuchte und einen Augenblick lang um Fassung rang. Der Inquisitor bemerkte, daß die Bibellesung stockte, und schenkte dem Zwerg einen drohenden Blick. Der häßliche Kerl begann am ganzen Körper zu zittern und beeilte sich, in hündischer Ergebenheit fortzufahren.
    »Warum liegt Euch ausgerechnet an diesen Ketzern soviel?« fragte Faustus, nachdem er seine Beherrschung wiedererlangt hatte. »Sicher verärgert Euch nicht allein, daß sie Euer kleines Schauspiel von vorhin verdorben haben.«
    Asendorf bohrte seinen Blick in Faustus’ Augen. »Dies war nicht der erste Vorfall dieser Art. Sie schlagen überall zu, im ganzen Reich. Der Heilige Stuhl sieht es nicht gern, wenn man seine Statthalter verbrennt.«
    Da mußte Faustus mit einem Mal lachen. »Herrgott, Asendorf, heißt das, man gab Euch den Auftrag, diese Menschen zu fassen? Ist es das, was Euch in solche Verzweiflung treibt, daß Ihr sogar mich dafür laufen laßt?«
    Der Inquisitor zuckte zurück, als hätte Faustus ihm ins Gesicht geschlagen. Er ließ sich gegen die Stuhllehne fallen und krampfte seine Finger um die Armstützen. »Was interessiert es dich, selbst wenn dem so wäre?«
    Faustus lachte noch immer, wohl wissend, wie sehr er den Hexenjäger damit erzürnte. Asendorf mochte ein paar Jahre älter sein als er selbst – Faustus zählte zum Zeitpunkt dieser Begebenheit dreißig Lenze –, doch was der Inquisitor ihm an Erfahrung voraus hatte, machte Faustus durch eine gehörige Portion Dreistigkeit wett. Mein Meister war schon damals einer, der selbst im Angesicht des Satans zu lachen vermochte, und ich bin sicher, er tat genau das, als der Bocksfüßige ihn schließlich zu sich holte.
    Asendorf, der es trotz aller Macht und Grausamkeit an Imposanz nicht mit dem Leibhaftigen aufnehmen konnte, mußte den Spott des Schwarzkünstlers hilflos über sich ergehen lassen. Denn mein Meister – der damals freilich noch nicht mein Meister war – wußte nun, wie sehr der Inquisitor auf ihn angewiesen war. Und Faustus gedachte, seinen Vorteil gnadenlos auszuspielen. Er wollte Asendorf winseln sehen.
    Doch soweit ließ der Inquisitor es nicht kommen. »Du wirst über mein Angebot nachdenken, Faustus. Heute nacht, im Kerker. Morgen erwarte ich deine Antwort – und du weißt, welche ich meine.«
    Damit schlug er vor Faustus ein nachlässiges Kreuzzeichen, als wolle er ihn für die Nachtruhe segnen, rief nach den Wachen und ließ den Gefangenen abführen.
    »Steckt ihn ins Verlies!« rief er hinter ihnen her und schlug zugleich seinem Bibelzwerg auf den Schädel. »Laßt ihn hungern und laßt ihn frieren! Laßt ihn leiden wie seinen Hund!«
    Es muß ihn mehr als gekränkt haben, daß Faustus selbst da noch schallend lachte.

Kapitel 2
    Dies war der Punkt, an dem ich selbst die große Bühne betrat. Ich schlitterte mitten ins Spielgeschehen, ohne einen Schimmer, was mich erwarten mochte. Und, glaubt mir, ich tat es nicht ohne Getöse. Ja, in der Tat, die Kulissen erbebten ob dieses Augenblicks, und Ihr, die Damen und Herren in den vorderen Rängen, Ihr solltet Euch in acht nehmen, denn meine Anwesenheit in dieser Geschichte ist nicht ohne Folgen. Paßt auf, daß Euch keine wirbelnde Schwertspitze streift. Und, Pardon, es mag vorkommen, daß meine Büchse sich in die falsche Richtung entlädt. Duckt Euch, wenn Ihr könnt.
    Es ist an der Zeit, ein paar Worte über mich selbst zu verlieren. Meinen Namen verriet ich Euch bereits, doch hier ist er noch einmal: Christof Wagner. Merkt ihn Euch gut. Ihr mögt auch außerhalb dieser Zeilen noch von ihm hören.
    Ich ward geboren zu Wittenberg, so sagte man mir im Waisenhaus, und dort wuchs ich auf. Meine Kindheit war ereignislos, genauso meine Jugend – bis zu jenem Tag, da ich meinen Meister traf.
    Gestattet mir trotzdem in aller Kürze, von meinem Leben vor diesem entscheidenden Tag zu berichten. Ich bin Waise, so lang meine Erinnerung zurückreicht. (Man hat mir vorgeworfen, ich sei der Sohn einer Hündin, was nicht möglich ist – sicher hätte ich mich dann besser mit des Meisters Töle, mit Mephisto, verstanden. Unser Verhältnis aber war zeitlebens, nun, nennen wir es – gespalten.)
    Ich weiß nicht, wer mein Vater war, und auch an meine Mutter fehlt mir jedes Andenken. Früh ging ich bei einem Mönch in die Lehre, doch lernte ich von ihm nicht das Rezitat frommer Bibelsprüche und Kirchenlieder, sondern vielmehr die Kunst des Bierbrauens. Er war alt und fett, an einer Hand
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