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Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt

Titel: Die neue Historia des Dr. Faustus 01 - Der Engelspakt
Autoren: Kai Meyer
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Hauptmann, schrie lautstark Befehle, und sogleich schwärmten die Soldaten in alle Richtungen aus. Mit grimmigen Mienen und gezückten Waffen stampften sie durch Wiesen und Geäst, stachen mit ihren Klingen in verdächtiges Buschwerk und blickten mißtrauisch hinter jeden Baum. Faustus sah mit Erschrecken, wie gleich vier von ihnen schnurstracks auf sein Versteck zukamen. Einen Augenblick lang erwog er, ob es gelingen könnte, sie alle kraft seines Geistes zu beeinflussen, doch er wußte, daß der Versuch zum Scheitern verurteilt war. Er war schwach, außer Atem und beim besten Willen nicht in der Lage, sich in diesem Zustand zugleich auf vier fremde Geister einzustellen. Alles, was ihm blieb, war die Flucht.
    So leise wie möglich drehte er sich um und hastete gebückt durchs Gebüsch. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn bemerken würden, und der gefürchtete Moment kam schneller, als ihm lieb sein konnte. Einer der Landsknechte schrie auf, zeigte mit dem Schwert auf ihn und rief die anderen herbei. Die vier Männer, die Faustus am nächsten waren, setzten sich sogleich auf seine Spur, und auch die übrigen kamen eilig herbeigerannt.
    Sein Vorsprung war nicht groß, zwanzig, höchstens dreißig Schritte, und obgleich seine Beine lang waren, fehlte ihnen jetzt doch die Kraft, den Verfolgern davonzulaufen. Es war aussichtslos. Keuchend hetzte er durchs Unterholz, schlug Zweige und Blattwerk beiseite, rannte entlang der Stadtbefestigung nach Norden und wußte doch, daß er den Männern nicht entkommen konnte. Fraglos würden sie sich aufteilen und versuchen, ihn einzukesseln. Er hatte keinen Zweifel, daß es ihnen gelingen würde.
    Er hörte ihre Rufe erst hinter, dann auch in einigem Abstand neben sich. Baumstämme und Äste verbargen sie vor seinen Augen, was seine Ungewißheit nur noch erhöhte. Er hatte das Gefühl, daß sie überall um ihn waren, und etwas sagte ihm, daß dieser Eindruck nicht täuschte. Die Jagd war längst entschieden. Das Wild saß in der Enge.
    Er wollte nach links ausweichen, fort von der Stadt, durch die Bäume hindurch und hinaus ins freie Land, doch von dort waren die Schritte und Flüche seiner Verfolger nur allzu deutlich zu hören. Rechts von ihm befand sich die Stadtmauer. Die einzige Fluchtmöglichkeit war demnach geradeaus, und dort würden sie ihm früher oder später den Weg abschneiden. Ebensogut konnte er gleich stehenbleiben und sich geschlagen geben.
    Während er diese Möglichkeit noch erwog, kam das Ende früher als erwartet. Plötzlich brachen vor ihm zwei Gestalten aus dem Gebüsch. Es gelang ihm eben noch, seine Schritte zu bremsen, sonst wäre er in ihre ausgestreckten Klingen gerannt. Wortlos blieb er stehen, rang sich ein bitteres Lächeln ab und ließ sich widerstandslos festnehmen. Überall um ihn herum traten Landsknechte aus dem Unterholz und richteten ihre Waffen auf ihn. Einige beschimpften ihn lautstark, doch er ließ ihre Tiraden wirkungslos von sich abprallen und hoffte nur, daß sie ihn nicht auf der Stelle töten würden. Der Hauptmann erreichte ihn als letzter und gab schneidend Befehl, ihn unversehrt in die Stadt zu bringen. So nahmen ihn die Soldaten widerwillig in ihre Mitte und führten ihn unter manchen Stößen und Beschimpfungen zurück zum Stadttor.
    Auf dem Schloßplatz hatten sich wieder zahlreiche Bürger eingefunden, die verstört auf die lodernden Reste des Scheiterhaufens und durch das rußige Kirchentor blickten. Das Feuer im Inneren war offenbar gelöscht, es konnte nicht groß gewesen sein. Die Leiche des Priesters lag verborgen unter einer Decke. An ihren Rändern kräuselte sich dürrer Rauch empor.
    Man schenkte Faustus und dem Trupp der Landsknechte kaum Beachtung. Einige Frauen standen weinend in der Nähe des toten Pfaffen, andere bemühten sich, einen Blick ins Innere der Kirche zu erhaschen. Nur einige Kinder, die ihre Fröhlichkeit viel schneller als die Erwachsenen zurückerlangt hatten, hüpften ausgelassen vor den Füßen der mürrischen Soldaten und schnitten Faustus Grimassen.
    Die Landsknechte führten ihn durch eine lange Straße zum Rathaus auf dem Marktplatz. Drinnen erwarteten ihn der Inquisitor und sein Gefolge. In einem hölzernen Saal mit Deckenleuchter und großen, hellen Fenstern saß Konrad von Asendorf auf einem hochlehnigen Stuhl, strich sich unablässig übers Kinn und musterte seinen Gefangenen aus dunklen, grundlosen Augen. Sein Zwergendiener saß im Schneidersitz neben ihm am Boden und hielt eine
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