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Die netten Nachbarn

Die netten Nachbarn

Titel: Die netten Nachbarn
Autoren: Ephraim Kishon
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arbeitet, dann tut sie es ganz gewiss nicht um des schäbigen Gehaltes willen, das sie von euch bekommt.«
    »Warum täte sie es sonst?«
    »Um zu stehlen«, sagte Frau Schawuah Tow. Wir wiesen diese Verleumdung energisch zurück. Niemals, so sagten wir, würde Mazal so etwas tun.
    Aber meiner Frau fiel bald auf, dass Mazal, wenn sie den Fußboden kehrte, uns nicht in die Augen sah. Irgendwie erinnerte sie uns an das Verhalten Raskolnikows in »Schuld und Sühne«. Und die Taschen ihres Arbeitskittels waren ganz ungewöhnlich groß.
    Mit Raffinement begann ich sie zu beobachten, wobei ich so tat, als wäre ich in die Zeitungslektüre vertieft. Ich merkte, dass Mazal besonders unser Silberbesteck mit merkwürdig gieriger Freude säuberte. Auch andere Verdachtsmomente erhärteten sich. Die Spannung wuchs und wurde nach und nach so unerträglich, dass ich vorschlug, die Polizei zu verständigen.
    Meine Frau jedoch, Leserin von Detektivgeschichten, meinte, dass es sich um mehr oder weniger anfechtbare Indizienbeweise handle und dass wir vielleicht besser unsere Nachbarin um Rat fragen sollten.
    »Ihr müsst das Ungeheuer in flagranti erwischen«, erklärte Frau Schawuah Tow. »Zum Beispiel könntet ihr irgendwo Geld verstecken. Und wenn Mazal es findet, ohne es zurückzugeben, dann schleppt sie vor den Richter!«
    Am nächsten Tag stellten wir die Falle. Wir entschieden uns für eine Fünfpfundnote, die wir unter die Badezimmermatte praktizierten. Vom frühen Morgen an war ich so aufgeregt, dass ich nicht arbeiten konnte. Auch meine Frau klagte über stechende Kopfschmerzen. Immerhin gelang es uns, einen detaillierten Operationsplan festzulegen: Meine Frau würde die Ertappte zurückhalten, während ich die Polizei alarmierte.
    »Schalom«, grüßte Mazal, als sie ins Zimmer trat.
    »Ich habe unter der Matte im Badezimmer zehn Pfund gefunden.«
    Wir verbargen unsere Enttäuschung hinter unverbindlichem Gemurmel, zogen uns zurück und waren fassungslos. Minutenlang konnten wir einander überhaupt nicht in die Augen sehen. Dann sagte meine Ehegattin: »Ich habe nie begriffen, wie du diesem goldehrlichen Geschöpf zutrauen konntest, seine Arbeitgeber zu bestehlen.«
    »Ich hätte gesagt, dass sie stiehlt? Ich?!« Meine Stimme überschlug sich in gerechtem Zorn. »Eine Unverschämtheit von dir, so etwas zu behaupten! Die ganzen letzten Tage hindurch habe ich mich vergebens bemüht, dieses Muster einer tugendhaften Person gegen deine infamen Verdächtigungen zu schützen!«
    »Dass ich nicht lache«, sagte meine Frau und lachte. »Du bist wirklich komisch.«
    »So? Ich bin komisch? Möchtest du mir vielleicht sagen, wer die zehn Pfund unter der Matte versteckt hat, obwohl wir doch nur fünf Pfund verstecken wollten? Hätte Mazal – wozu sie natürlich unfähig ist – das Geld wirklich gestohlen, dann wären wir um zehn Pfund ärmer geworden.« Bis zum Abend sprachen wir kein einziges Wort mehr. Als Mazal ihre Arbeit beendet hatte, kam sie sich verabschieden.
    »Gute Nacht, Mazal«, sagte meine Frau betont herzlich. »Auf Wiedersehen morgen früh. Und seien Sie pünktlich.«
    »Ja«, antwortete die brave Hausgehilfin. »Gewiss. Wünscht Madame mir jetzt noch etwas zu geben?«
    »Ihnen etwas geben? Wie kommen Sie darauf, meine Liebe?«
    Daraufhin entstand der größte Radau, den es in dieser Gegend seit zweitausend Jahren gegeben hat.
    »Madame wünscht mir also nichts zu geben?!«, kreischte Mazal mit funkelnden Augen. »Und was ist mit meinem Geld? He?! Sie wissen doch ganz genau, dass Sie eine Fünfpfundnote unter die Matte gelegt haben, damit ich sie stehlen soll! Ihr wolltet mich wohl auf die Probe stellen, ihr Obergescheiten, was?!«
    Meine Gattin verfärbte sich. Ich hoffte, dass die Erde sich auftun und mich verschlingen würde, aber ich hoffte vergebens.
    »Na? Auf was warten Sie noch?« Mazal wurde ungeduldig. »Oder wollen Sie vielleicht mein Geld behalten?«
    »Entschuldigen Sie, liebe Mazal«, sagte ich mit verlegenem Lächeln. »Hier, bitte, sind Ihre fünf Pfund, liebe Mazal.«
    Mazal riss mir die Banknote unwirsch aus der Hand und stopfte sie in eine ihrer übergroßen Taschen.
    »Es versteht sich von selbst«, erklärte sie kühl, »dass ich nicht länger in einem Haus arbeiten kann, in dem gestohlen wird. Zum Glück habe ich das noch rechtzeitig entdeckt. Man darf den Menschen heutzutage nicht trauen …«
    Sie ging, und wir haben sie nie mehr wiedergesehen.
    Frau Schawuah Tow jedoch erzählte in der ganzen
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