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Die netten Nachbarn

Die netten Nachbarn

Titel: Die netten Nachbarn
Autoren: Ephraim Kishon
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Nachbarschaft herum, dass wir versucht hätten, eine arme, ehrliche Hausgehilfin auszunehmen.

Seligs atmosphärische Störungen
    Ich spreche aus eigener Erfahrung. Wir haben seit langem Schwierigkeiten mit unseren Nachbarn, den Seligs. Was die mit ihrem Radio aufführen, ist einfach unerträglich. Jeden Abend um 18 Uhr kommt Felix Selig todmüde nach Hause, hat aber noch genug Kraft, zum Radio zu wanken und es auf volle Stärke einzustellen. Ob Nachrichten, Musik oder literarische Vorträge herauskommen, ist ihm gleichgültig. Wenn es nur Lärm macht. Und dieser Lärm dringt bis in die entlegensten Winkel unserer Wohnung.
    Die Frage, wie wir uns dagegen wehren könnten, beschäftigt uns schon seit geraumer Zeit. Meine Frau, die den Seligs unter ungeheurer Selbstüberwindung einen Besuch abgestattet hat, behauptet, dass wir das Opfer eines akustischen Phänomens seien: Das Radio dröhnt bei uns noch lauter als bei den Seligs selbst. Jedenfalls ist die Trennwand zwischen den beiden Wohnungen so dünn, dass wir beim Ausziehen das Licht abdrehen, um keine lebenden Bilder an die Wand zu werfen. Dass durch diese Wand selbst das leiseste Flüstern zu hören ist, versteht sich von selbst.
    Nur ein Wunder konnte uns retten.
    Und das Wunder geschah.
    Eines Abends, als Seligs Höllenmaschine wieder ihren ohrenbetäubenden Lärm entfaltete, musste ich mich wegen eines unvorhergesehenen Theaterbesuchs rasieren. Kaum hatte ich meinen elektrischen Rasierapparat eingeschaltet, als es in Seligs Radio laut zu knacksen begann. Ich zog den Steckkontakt heraus – und das Knacksen hörte auf. Ich schaltete ihn wieder ein – es knackste und knackste. Dann hörte ich Felix Seligs Stimme: »Erna! Was ist mit unserem Radio los? Dieses Knacksen macht mich verrückt!«
    Ungeahnte Perspektiven eröffneten sich.
    Der nächste Abend fand mich wohl vorbereitet. Als Felix Selig um 18 Uhr nach Hause kam, wartete ich bereits mit gezücktem Rasierapparat. Felix torkelte zum Radio und drehte es an. Eine Minute ließ ich verstreichen – dann suchte mein elektrischer Rasierapparat Kontakt und fand ihn. Augenblicklich verwandelte sich in der nachbarlichen Wohnung eine wunderschöne Pianopassage von Rachmaninow in ein Fortis simo-Krkrkrk. Felix nahm es zunächst noch hin, offenbar in der Hoffnung, dass die atmosphärische Störung bald vorüber sein würde. Endlich hatte er genug.
    »Hör auf, um Himmels willen!«, brüllte er entnervt in den Kasten, und seine Stimme klang so beschwörend, dass ich unwillkürlich den Stecker aus der Wand zog.
    Jetzt stellte Felix das Radio ab, rief mit heiserer Stimme nach seiner Frau und sagte, für unsere angespannten Ohren deutlich zu hören:
    »Erna, es ist etwas sehr Merkwürdiges geschehen. Der Apparat hat geknackst – ich habe ›Hör auf!‹ gebrüllt – und er hat aufgehört.«
    »Felix«, antwortete Erna, »du bist schon länger überarbeitet. Heute wirst du früher schlafen gehen.«
    »Du glaubst mir nicht?« brauste Felix auf. »Du misstraust den Worten deines Mannes? Höre selbst!«
    Und er drehte das Radio auf.
    Wir konnten sie beinahe sehen, wie sie vor dem Kasten standen und auf das ominöse Knacksen warteten. Um die Spannung zu steigern, wartete ich eine Weile.
    »Ganz wie ich sagte«, meinte Frau Selig. »Du redest dummes Zeug. Wo bleibt das Knacksen?«
    »Wenn ich’s dir vorführen will, kommt’s natürlich nicht«, fauchte der enttäuschte Felix. Dann wandte er sich mit hämischer Herausforderung direkt an das Radio: »Also du willst nicht knacksen, was?«
    Ich schaltete den Rasierapparat ein. Krkrkrk.
    »Tatsächlich«, flüsterte Erna. »Jetzt knackst er. Es ist wirklich unheimlich. Ich habe Angst. Sag ihm, dass er aufhören soll.«
    »Hör auf«, sagte Felix gepresst. »Bitte hör auf …«
    Ich zog den Stecker heraus.
    Am nächsten Tag traf ich Felix im Stiegenhaus. Er sah angegriffen aus, ging ein wenig schlotternd, und unter seinen verquollenen Augen standen große dunkle Ringe. Wir plauderten zunächst über das schöne Wetter – dann packte mich Felix plötzlich am Arm und fragte:
    »Glauben Sie an übernatürliche Phänomene?«
    »Selbstverständlich nicht. Warum?«
    »Ich frage nur.«
    »Mein Großvater, der ein sehr gescheiter Mann war«, sagte ich sinnend, »glaubte an derartige Dinge.«
    »An Geister?«
    »Nicht gerade an Geister. Aber er war überzeugt, dass tote Gegenstände – es klingt ein wenig lächerlich, entschuldigen Sie – also dass Dinge wie ein Tisch, eine
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