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Die Narbe

Die Narbe

Titel: Die Narbe
Autoren: Frank Schmitter
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Alternative zu einer Operation gibt.«
    »Gab es denn in Wahrheit eine Alternative, Ihr Bankkonto zu sanieren, Herr Chateaux?«, fuhr Batzko dazwischen. »Ihr esoterischer Therapeutenquark interessiert uns absolut nicht. Damit können Sie andere einwickeln, uns nicht. Sie haben von Alexander Faden zwanzigtausend Euro bekommen und hätten von Arno Reuther wohl das Doppelte kassiert, an der Steuer vorbei, schätze ich mal. War auch dringend notwendig, um nur die größten Löcher in Ihrem Geldbeutel zu stopfen. Das Problem war nur, dass Arno Reuther nicht mehr mitspielen wollte, als er erfuhr, dass seine Frau auf der Patientencouch noch ganz andere Dinge gemacht hat, als sich Ihre verblasenen Theorien anzuhören. Deshalb sind Sie, nachdem Sie Katja Reuther in der Stadt zum Kaffee getroffen haben und sie Ihnen bestätigt hat, dass Arno Reuther bei seinem vorläufigen Nein bleiben wird, zu ihm gegangen, um ihn doch noch zu überreden. Reuther blieb jedoch hart, er wollte die Ausgangsposition wiederherstellen. Das, genau das ist der Punkt, an dem wir gestern stehen geblieben sind und an dem wir jetzt und hier immer noch stehen.«
    Dirk Chateaux hatte mit gesenktem Blick, ohne äußere Regung zugehört. Er reagierte nicht einmal, als Batzko geendet hatte. Er wirkte erschreckend kraftlos, als läge eine Last auf seinen Schultern, die ihm die Kraft zu atmen nahm.
    »Warum haben Sie in Ihrem ersten Telefonat mit meinem Kollegen behauptet, Alexander Faden litte an Depressionen und wäre suizidgefährdet?«, fragte Gerald. »Das steht nicht nur in Widerspruch zu Ihren Darlegungen. Es war eine glatte Lüge, nach allem, was wir wissen. Ich habe nicht nur die Meinung von Franziska Grittmann und Arno Reuther eingeholt. Auch seine Nachbarn haben mir bestätigt, dass er nach der Operation wie verwandelt war. Aus einem bedrückten Einsiedler war ein offener, positiver Mensch geworden.«
    Chateaux antwortete erst nach einer Weile.
    »Ja, ich kann nicht leugnen, das gesagt zu haben. Ein Reflex vermutlich. Instinktives Schutzverhalten für meine Therapiegruppe«, sagte er leise und wandte den Kopf zum Fenster.
    »Mir kommen die Tränen bei so viel Fürsorge«, spottete Batzko. »War es nicht vielleicht so, dass Alexander Faden erfahren haben könnte, wie viel Sie für sich selbst als Vermittler abgezweigt hatten? Dass er sich betrogen gefühlt hat? Dass Sie ihn zu einem Gespräch aufgesucht haben und er gedroht hat, Sie anzuzeigen, nachdem Sie sich geweigert hatten, ihm einen Teil der Summe zurückzuzahlen? Es könnte für Sie unbequem werden, denn ein Staatsanwalt könnte die Meinung vertreten, Sie hätten sich mit diesem Schritt der Beihilfe zur vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gemacht. Lauter Schwierigkeiten, wohin man auch sieht. Dagegen ist doch ein Sturz vom Balkon nur eine Kleinigkeit, oder?«
    Chateaux versuchte sich an einem Lächeln. »Jetzt auch noch Alexander Faden. Ich als Doppelmörder! Das ist bizarr, absurd, grotesk. Das sind doch reine Spekulationen, offenbar von purem Vernichtungswillen gesteuert. Ich weiß nicht, was ich in Ihnen auslöse, aber ich bin nicht bereit, mir noch länger …«
    Es klingelte an der Haustür. Die Klingel schellte sehr laut, weil der Therapeut die Tür zu seinem Behandlungszimmer offen gelassen hatte. Es klingelte ein zweites Mal.
    »Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment. Es dauert nur eine Sekunde«, sagte Chateaux. Er verließ das Behandlungszimmer. Die Tür blieb halb geöffnet. Gerald konnte einen kurzen Dialog verfolgen, ohne die einzelnen Worte zu verstehen. Batzko stellte sich ans Fenster, als fürchtete er, der Arzt könnte den Moment zur Flucht nutzen.
    Dann stand der Therapeut schon wieder im Zimmer, ein größeres Paket in der Hand, das er auf den Schreibtisch legte.
    »Die ungewollten Gefälligkeiten der Pharmaindustrie«, sagte er. »Man kann ihnen hundertmal sagen, dass man nichts will. Sie schicken einem trotzdem was.« Er schaute Gerald an und lächelte, als wäre er froh über etwas, das seine Aufmerksamkeit von dieser Situation abzog. »Vor einigen Wochen hat übrigens Ihr besonderer Freund Lutz aus der Gruppentherapie an der Tür gestanden. Damit verdient er seinen Lebensunterhalt.«
    Gerald spürte augenblicklich eine Leere in seinem Magen. Dann schmeckte er den Whiskey in seinem Mund, den er in der vergangenen Nacht getrunken hatte. Einen Moment glaubte er, sich erbrechen zu müssen.
    »Lutz ist Paketauslieferer, sagen Sie? Warum ist er eigentlich in der
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