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Die Namenlose

Die Namenlose

Titel: Die Namenlose
Autoren: Hubert Haensel
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Hexe leicht, ihren Zauber anzuwenden.
    »Unser einhörniger Kumpan läßt auf sich warten«, stellte Scida schließlich fest. Sie hatte jedoch kaum geendet, als der Tritone vor ihnen auftauchte.
    »Wo ist die Luftblase?« fuhr Gorma ihn an.
    »Sie liegt am Rand des Felssturzes verankert.«
    »Ist es weit bis dahin?«
    »Du kannst die Strecke schnell zurücklegen.«
    »Dann führe mich.« Und an die anderen gewandt, sagte Gorma: »Wartet, bis ich zurückkomme, ich will nicht, daß er womöglich uns alle in eine Falle lockt.«
    In der Tat dauerte es nicht lange, bis der Okeazar und sie zusammen wieder zwischen den Steinen erschienen.
    »Die Luftblase wird uns alle tragen«, rief Gorma, »sie ist groß genug. Der Einhörnige hat sie mit Steinen beschweren müssen, damit ihr Auftrieb ausgeglichen wurde.«
    Was sie damit meinte, verstanden die anderen erst, als sie von unten her in das annähernd runde Gebilde aus Blättern, Ästen und äußerst geschmeidigen, an überlanges Seegras erinnernden Halmen eindrangen. Von einem ähnlichen Geflecht war das Gebäude umrankt gewesen, in dem sie auf Gerta und Omera stießen. Die Pflanzen waren keineswegs abgestorben, sondern lebten wie unschwer an vielen zarten Trieben zu erkennen war. Die Amazonen warfen etliche große Felsbrocken, die auf deutlich verdickten Stellen lagen, ins Wasser. Vorübergehend begann die Luftblase leicht zu schwanken, und sie stieg kaum merklich in die Höhe.
    »Seht euch vor«, riet Gorma. »Sobald wir die Gewächse ernsthaft beschädigen, kann es geschehen, daß die Luft entweicht und dabei den Pferch ganz aufreißt.«
    Langsam geriet das Gebilde in Bewegung. Durch die überall vorhandenen kleinen Öffnungen war zu erkennen, daß der Tritone sich mehrere Pflanzenfasern um den Leib geschlungen hatte und auf diese Weise die immerhin beinahe anderthalb Körperlängen durchmessende Blase zog.
    »Dazu gehören große Kräfte«, meinte Scida anerkennend.
    Zum erstenmal sahen sie einen Schwarm kleiner Fische in unmittelbarer Nähe vorbeiziehen. Die breite Kluft, deren Tiefe sich den Blicken entzog, blieb rasch hinter ihnen zurück. Der Meeresboden schien anzusteigen.
    Die einstige Schönheit von Ptaath war unumstritten. Aber längst hatte die See Wege und Plätze erobert; auf den Dächern vieler Häuser wucherten Korallen.
    Endlich konnte man den Tempel erkennen - ein monumentales Bauwerk, das an Imposanz und Größe auch in fünf Jahrhunderten nichts eingebüßt hatte. Der helle, marmorierte Stein, aus dem er errichtet war, wies nicht den geringsten Makel auf. Fresken zierten sein Rund in verschiedenen Höhen, breite Sockel, auf denen Statuen thronten, umliefen die Kuppel.
    Davor erstreckten sich weitläufige, aus demselben Baumaterial errichtete Gebäude; mächtige Säulenhallen und offene Gänge dominierten.
    Der Einhörnige bugsierte die Luftblase ins Innere eines Bauwerks, das nur zur Hälfte unter Wasser stand. Breite Treppen führten von hier aus in die Höhe, wo eine Art kniehoher Brüstung den Raum abgrenzte.
    Gorma war die erste, die diesen Weg nahm und sich umsah. Die Halle maß mindestens fünfzig Schritte. Sie war leer, wenn man von verschiedenen steinernen Podesten absah, die wohl als Altäre genutzt wurden. Tritonen zeigten sich keine. Bereitwillig erklärte der Einhörnige auf entsprechende Fragen, daß nur Okeazar des zweiten und dritten Kreises hier Zutritt hätten. Mit Sicherheit befänden sich aber die meisten von ihnen, die ja das Gros der Jäger von Ptaath stellten, auf der Suche nach den entflohenen Gefangenen.
    »Kann uns nur recht sein«, murmelte Gerrek. »Ewig halte ich die andauernde Flöterei bestimmt nicht aus.«
    »Falls Burra und Zaem hier gefangengehalten werden, dann in der Kuppel«, meinte Sosona.
    »Langsam gewinne ich den Eindruck, daß du mehr weißt, als du zugibst«, brauste Gorma auf. »Ich denke, es ist an der Zeit, damit nicht länger hinter dem Berg zu halten.«
    »Mein Mund muß verschlossen bleiben, doch sei gewiß, daß ich alles daransetzen werde, um Zaem zu finden. Danke der Fügung, daß die Meermutter, die man auch die Schwarze nennt, unsere Spur noch nicht entdeckt hat. Ich fürchte aber, uns bleibt nur eine sehr kurze Frist, also laß uns nicht untätig herumstehen.«
    »Das ist auch in meinem Sinn«, nickte Gorma. »Und was wird aus ihm?« Sie deutete auf den Tritonen, der regungslos auf den untersten, halb im Wasser liegenden Stufen verharrte.
    »Er wird sich an nichts erinnern«, sagte Sosona. »Wir
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