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Die Nadel.

Titel: Die Nadel.
Autoren: Ken Follettl
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hatte kein Recht, einfach aufzugeben, denn es ging nicht nur um ihr Leben. Sie mußte
     es für David und all die jungen Männer tun, die im Krieg gefallen waren. Und sie konnte
     nicht aufgeben, jetzt, da sie die Zusammenhänge begriff!
    Sie wußte, was sie zu tun
     hatte. Zwar hatte sie Angst vor Schmerzen – es würde sicherlich sehr schmerzhaft sein und
     vielleicht würde sie sogar sterben –, aber sie hatte die Qualen einer Geburt ertragen, und
     das konnte nicht schlimmer sein.
    Sie wußte, was sie zu tun hatte. Am liebsten hätte
     sie Jo fortgebracht, damit er es nicht sehen konnte. Aber dafür war keine Zeit, denn Henry
     würde seine Frequenz im nächsten Moment finden, und dann könnte es zu spät sein.
    Sie wußte, was sie zu tun hatte. Sie mußte das Funkgerät zerstören, doch es war oben
     bei Henry. Er hatte beide Flinten und würde sie töten. Sie wußte, was sie zu tun
     hatte.
    Lucy plazierte einen von Toms Küchenstühlen in die Mitte des Raumes, stellte
     sich darauf, griff nach oben und schraubte die Glühbirne heraus.
    Sie stieg vom Stuhl,
     ging zur Tür und betätigte den Lichtschalter.
    »Wechselst du die Birne aus?« fragte
     Jo.
    Lucy kletterte wieder auf den Stuhl, zögerte einen kurzen Augenblick und stieß
     dann drei Finger in die unter Strom stehende Fassung.
    Ein Knall, ein Moment der Qual,
     und sie verlor das Bewußtsein.Faber hörte den Knall. Er hatte die
     richtige Frequenz gefunden, den Schalter auf »Senden« gestellt und das Mikrophon in die Hand
     genommen. Gerade als er sprechen wollte, knallte es. Unmittelbar danach erlosch die
     Beleuchtung der Skalen des Funkgeräts.
    Sein Gesicht lief vor Wut dunkelrot an. Sie
     hatte die Stromversorgung des ganzen Hauses kurzgeschlossen. So viel Einfallsreichtum hätte
     er ihr nicht zugetraut.
    Er hätte sie schon vorher töten sollen. Was war nur los mit
     ihm? Er hatte nie gezögert, niemals, bis er dieser Frau begegnet war.
    Er nahm eine der
     Flinten und ging hinunter ins Erdgeschoß.
    Das Kind weinte. Lucy lag betäubt in der
     Küchentür. Fabers Blick fiel auf die leere Glühbirnenfassung mit dem Stuhl darunter. Er
     runzelte verblüfft die Stirn.
    Sie hatte es mit der Hand getan.
    »Allmächtiger Gott«, sagte Faber.
    Lucys Augen öffneten sich.
    Ihr ganzer
     Körper schmerzte.
    Henry stand mit der Flinte in der Hand über ihr. »Warum hast du
     die Finger benutzt? Warum keinen Schraubenzieher?«
    »Ich wußte nicht, daß es mit
     einem Schraubenzieher geht.«
    Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Du bist wirklich
     eine erstaunliche Frau.« Er hob das Gewehr, richtete es auf sie und senkte es wieder. »Zur
     Hölle mit dir!«
    Er schaute zum Fenster hinüber und schrak zusammen.
    »Du hast
     es gesehen.«
    Sie nickte.
    Einen Moment lang blieb er angespannt stehen, dann
     schritt er zur Tür. Als er sie zugenagelt fand, zertrümmerte er das Fenster mit dem Kolben
     seiner Flinte und kletterte hinaus.
    Lucy stand auf. Jo umklammerte ihre Beine, doch sie
     fühlte sich nicht kräftig genug, um ihn hochzuheben. Sie taumelte zum Fenster und blickte
     hinaus.
    Henry lief auf die Klippe zu. Das U-Boot war immer noch da,vielleicht eine halbe Meile vom Strand entfernt. Er erreichte den Klippenrand
     und schob sich hinüber. Er würde versuchen, zu dem Unterseeboot zu schwimmen.
    Sie
     mußte ihn aufhalten.
    Lieber Gott, mach ein Ende . . .
    Lucy kletterte aus dem
     Fenster, ignorierte das Weinen ihres Sohnes und rannte hinter Henry her.
    Als sie den
     Klippenrand erreicht hatte, legte sie sich hin und schaute nach unten. Henry hatte die halbe
     Strecke zwischen ihr und dem Meer zurückgelegt. Er blickte hoch, sah sie, erstarrte für
     einen Augenblick und begann dann, sich schneller zu bewegen, gefährlich schnell.
    Ihr
     erster Einfall war, daß sie ihm nachklettern mußte. Aber was sollte sie dann tun? Selbst
     wenn sie ihn einholte, konnte sie ihn nicht zurückhalten.
    Der Boden unter ihr gab ein
     wenig nach. Sie kroch zurück, denn sie befürchtete die Klippe hinunterzustürzen, wenn er
     abbröckeln würde.
    Aber es brachte sie auf eine Idee.
    Mit beiden Fäusten
     hämmerte sie auf den felsigen Boden. Er schien noch etwas mehr nachzugeben, und ein Spalt tat
     sich auf. Sie legte eine Hand über den Rand und schob die andere in den Spalt. Ein
     erdfarbener Kreidebrocken von der Größe einer Wassermelone löste sich.
    Lucy spähte
     über den Rand und erblickte Henry.
    Sie zielte sorgfältig und ließ den Stein los.
    Er
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