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Die Nachzüglerin (German Edition)

Die Nachzüglerin (German Edition)

Titel: Die Nachzüglerin (German Edition)
Autoren: Regine Sondermann
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hätte sie nichts gehört.
"Wo wollt ihr hin?", fragte einer der beiden Männer.
Er sah nicht aus, als würde er immer im schwarzen
Sakko durch die Gegend fahren. Wahrscheinlich waren
sie unterwegs zu einer Weihnachtsfeier. Auch mit
teurem Rasierwasser hatten sie nicht gespart. Ich
kurbelte das Fenster herunter, weil mir von dem
Geruch schlecht wurde.
"Wir müssen nach Olvenstedt."
Der Mann brachte sein Fahrzeug zum Stehen.
"Nach Olvenstedt fahre ich nicht. Letztes Mal haben
sie mir dort mein Auto demoliert."
"Aber doch nicht, als du darin gesessen bist?"
"Nein, aber ich habe heute Abend genug erlebt. Ihr
braucht einfach nur die Straße weiter laufen, dann
kommt ihr dort hin."
"Weiß ich selber." Wütend knallte Frieda die Autotür
zu, während ich mich bei dem Fahrer bedankte.
    Olvenstedt war Endstation, hinter den Plattenbauten
begannen die Felder. Frieda führte mich durch ein paar
Häuserschluchten zu einem Restaurant, in dem
tatsächlich bayerische Spezialitäten angeboten wurden.
Der Wirt begrüßte uns freundlich.
"Treten Sie ein, meine Ladys. Es kommt selten vor,
dass wir so schöne Gäste haben hier." Er sprach
fränkisch-amerikanischen Akzent. Ich bewunderte
seine tätowierten Arme, während er sich ein Bier
zapfte und ein paar Schlucke nahm.
Wir setzten uns an einen hohen Tisch und bestellten
Schweinshaxe mit Klößen. Frieda zündete sich eine
Zigarette an, und während sie langsam den Rauch
ausblies, weidete sie sich an meinem erstaunten
Gesicht.
"Ist das nicht eine schöne Weihnachtsüberraschung?"
Ich nickte und beobachtete den Mann am
Spielautomaten, der einen Kopfverband trug. Er war
durch uns in seiner Unterhaltung mit dem Wirt
unterbrochen worden, die er nun lautstark fortsetzte:
"Dann hätte sie sich doch gar nicht am Balkon
aufzuhängen brauchen. Ich habe sie doch geliebt."
Der Wirt schien tief getroffen. "Die Weiber soll einer
verstehen."
    Durch eine Schwingtür, die die Küche vom Gastraum
trennte, kam eine Vietnamesin, die offensichtlich die
Wirtsfrau war, und stellte uns zwei dampfende Teller
auf den Tisch. Sie wünschte uns fröhliche
Weihnachten.
Ich nickte dankbar und machte mich über die Pracht
her. Frieda aß kaum, weil sie mit Vergnügen
beobachtete, wie ich das Zeug hinunterschlang.
"Der Nachbar hat auch nichts gesagt, der hätte es
doch sehen müssen", beschwerte sich der Herr am
Automaten.
Der Braten hatte genau die richtige Mischung von
Kruste und Saftigkeit. Während ich mir ein Stück
Knödel auf der Zunge zergehen ließ, nahm ich mir
vor, Alexej das Lokal zu empfehlen, falls wir uns noch
einmal begegnen sollten. Da genau passierte es, dass
die Spielmaschine eine Salve Münzen ausspuckte und
sich die Tür öffnete. Es ertönte eine Siegermelodie, der
Mann jubelte, und Alexej stand in der Tür. Ich hätte
wissen müssen, dass er das Lokal kannte. Seine
schwarzen Locken schimmerten, seine Gesichtshaut
glänzte unschuldig vor Kälte. Alexej blieb in der Tür
stehen, als er mich sah, und es entstand ein eisiger
Durchzug.
    "Tür zu!", brüllten der Gewinner und der Wirt aus
einem Mund. Alexej ließ die Tür absichtlich offen und
stellte sich an unseren Tisch. Die Wirtin rannte und
schloss sie.
"Franka, hier hätte ich dich nicht vermutet."
Ich bot ihm einen Stuhl an und stellte ihn Frieda vor.
Ich wusste, wie er sie ansah, deshalb war ich bemüht,
wegzusehen. Ich mied auch Friedas Blick.
"Das ist Alexej."
"Das habe ich mir fast gedacht", murmelte sie und fing
nun doch an zu essen. Danach holte sie sich eine
Zeitung vom Tresen und las konzentriert.
"Warum hast du dich nicht gemeldet?"
Ich brachte die Worte kaum heraus. "Wie geht es
Asja?"
"Asja geht es besser, aber Anna und ich haben ein
Problem." Hinter seiner düsteren Miene lauerte ein
Grinsen.
"Wir sind schwanger."
Ich fühlte mich wie ein Passagier in einer AeroflotMaschine, wenn er das Gehäuse um sich herum leise
krachen hört. Ich fiel ihm um den Hals und gratulierte
ihm überschwänglich, als hätte ich mir schon immer
gewünscht, ihn auf diese goldige Art und Weise zu
verlieren. Aber Alexej machte ein Gesicht, als sei er in
eine Zelle gesperrt worden, die er lebenslänglich nicht
mehr würde verlassen dürfen.
"Ihr wollt das Kind doch kriegen?"
"Anna will es. Sie hat es natürlich auch nicht geplant,
aber sie kann sich nicht vorstellen, das Kind abtreiben
zu lassen. In Sibirien hatte sie schon einmal einen
Schwangerschaftsabbruch, und das will sie nicht noch
einmal erleben."
Ich ging zur Toilette. Mit einem zarten Kitzeln
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