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Die Nachtwanderin

Die Nachtwanderin

Titel: Die Nachtwanderin
Autoren: T. J. Hudspeth
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in einem Menschenleben hätte falsch machen können. Sie hatte die falschen Männer, die nur auf ihr erspartes Geld aus waren. Mit diesen falschen Männern, bekam sie zur falschen Zeit, die falschen Kinder, im falschen Alter. Als der Geldfluss endgültig versiegte, verschwand auch der letzte Mann aus ihrem Leben. Mimmas Vater. Ein Taugenichts. Eine Beleidigung für die menschliche Rasse. Er war der erbärmlichste Mann, von den Männern, die Mimmas Mutter in ihrem Leben hatte. Das war wohl auch mit ein Grund dafür gewesen, weswegen Mimma von ihren älteren Geschwistern wie der letzte Abschaum behandelt wurde.
"Mimma, bist du das?", fragte ihre Mutter mit schwacher Stimme, ohne ihren Kopf zu erheben.
"Ja", antwortete Mimma trocken.
"Komm bitte her und setz dich, ich muss mit dir reden", forderte sie Mimma auf. Mimma ging zum Tisch, zog einen der schäbigen und längst abgenutzten Holzstühle heraus und setzte sich zu ihrer Mutter, an den ebenso schäbigen second-hand Tisch. Sie machte sich darauf gefasst wieder eine Standpauke von ihr zu hören, als sie den geöffneten gelben Brief von der Schule sah. Gelb waren nur die Briefe, die direkt von der Schulleitung kamen und in denen stand nie etwas Gutes. Mimma wartete, dass ein Donnerwetter an Beschimpfungen über sie hereinbrach, doch ihre Mutter blieb ganz ruhig. Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit, bis Mimmas Mutter tief Luft holte und mit leiser, gebrechlicher Stimme zu sprechen begann. Mimma konnte aus der belegten Stimme ihrer Mutter heraushören, dass sie geweint haben musste. Wäre nicht das erste Mal gewesen, dass Mimmas Mutter wegen ihr geweinte hatte.
"Mimi, ich habe dir das leider nie gesagt, aber ich liebe dich", sagte ihre Mutter gebrochen. Das traf Mimma völlig unerwartet. Sie spürte einen Kloß im Hals und beim Einatmen stach es in ihrer Brust. Mimma rieb sich mit der flachen Hand über die stechende Stelle, doch es hörte nicht auf. Dann fühlte sie, wie ihr Gesicht heiß wurde. Sonst hatte Mimma ihre Emotionen immer im Griff, denn sie zeigte schlichtweg keine. Doch jetzt quollen ihr unkontrolliert die Tränen aus den Augen. Sie liefen ihr über die Wangen und tropften am Kinn hinunter auf ihre Beine. Mimma ballte ihre Hände, die in ihrem Schoß ruhten, zu Fäusten und hielt die Luft an. Sie versuchte die Tränen zu stoppen, doch es gelang ihr nicht. Mimmas Mutter erhob den Kopf und starrte ungläubig in das Tränenüberflutete Gesicht ihrer Tochter. Mimma erwiderte den Blick und sah in die vom vielen Heulen verquollenen Augen ihrer Mutter, die sich ebenfalls mit Tränen füllten. Sie saßen beide reglos da. Nur das Schluchzen der Mutter war zu hören, doch Mimma gab keinen Mucks von sich. Es war ein stilles Weinen, äußerlich, doch innerlich brodelte es in ihr. Zu gerne wäre sie aufgesprungen und hätte ihre Mutter angeschrien, dass dieses Bekenntnis über 16 Jahre zu spät kam. Doch so viel Kontrolle hatte sie noch über ihre Emotionen, dass sie es sein ließ und einfach still weinend da saß.
"Mimi, es tut mir so leid, dass ich dir nie eine richtige Mutter war!", schluchzte ihre Mutter auf und hoffte, dass wenn sie Mimma mit ihrem Kosenamen ansprach, sie zu ihr durchdringen konnte. Mimma saß noch immer mit geballten Fäusten da. Unwillkürlich begann ihr ganzer Körper zu zittern.
"Zumindest einmal möchte ich dir eine Mutter sein und etwas richtig machen und deswegen bitte ich dich, weil ich dich liebe, zu gehen", flüsterte sie mit weinerlicher Stimme und wendete ihren Blick von Mimma ab. Die Augen fest auf die Tischplatte geheftet, redete sie weiter, ansonsten hätte sie nämlich den Mut dazu verloren.
"Du bist ein wunderbares, intelligentes Mädchen, Mimi.
Du bist anders und passt in unsere Familie einfach nicht rein und ich verstehe das.
Menschen können nicht alle gleich sein.
Ich möchte nicht, dass du in irgendeinem Heim vor dich dahinvegetierst, vollgestopft mit Tabletten....nein, das möchte ich nicht!
Aus diesem Grund bitte ich dich zu gehen.
Ich weiß du bist noch nicht volljährig, aber ich weiß auch, dass du schlau genug bist, dich alleine durch dieses raue Leben zu schlagen.
Das ist die beste Entscheidung, die ich für mich, aber vor allem für dich treffen kann. Ich möchte, dass du glücklich wirst, aber nicht hier bei mir, denn das ist einfach nicht möglich.
Zieh hinaus in die Welt. Ich bin mir sicher, dass du dort dein Glück finden wirst.
Ich lass dich gehen, denn ich will nur dein Bestes.
Ich hoffe du verstehst meine
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