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Die Nachtwanderin

Die Nachtwanderin

Titel: Die Nachtwanderin
Autoren: T. J. Hudspeth
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dass sie in der Gasse erwachte und Schritte hörte. Es waren die Schritte des jungen Mannes, der Tot auf dem Boden lag. Sie bat ihn um Hilfe und erklärte ihm, dass sie überfallen wurde. Er wollte sie ins Krankenhaus bringen, denn sie sah übel zugerichtet aus. Doch dann verspürte sie ein immer stärkeres Verlangen, ihn in den Hals zu beißen und sein Blut zu trinken. Ihr Magen schmerzte und dieser Schmerz trieb sie zur Weißglut. Schließlich konnte sie sich diesem Verlangen nicht mehr erwehren und fiel über ihren Helfer her.
Ich verstand die Lage sofort. Ein Streuner hatte sie als Opfer auserwählt, doch er hatte seinen Job nicht richtig gemacht. Er hatte sie nicht getötet und anscheinend war die Menge des Blutes, die sie verschluckt hatte ausreichend, um sie in eine von uns zu verwandeln. Nun war es an mir Jinx zu erklären was mit ihr passiert war und, dass sie fortan lernen musste, was es bedeutete ein Vampir zu sein. Ich bot ihr an sie mit zu den Ältesten zu nehmen, damit die entscheiden konnten, was mit ihr geschehen sollte. Als ich Jinx den Ältesten vorstellte, dachte ich, dass ich meine Pflicht als Vampir ihr gegenüber getan hatte und von ihr entbunden wurde. Doch da hatte ich falsch gedacht. Die Ältesten entschieden, dass ich an die Stelle ihres Schöpfers treten und seine Rolle als Mentor einnehmen sollte. Wiederwillig nahm ich den Auftrag an und nahm Jinx unter meine Fittiche.
Ich hatte Glück, denn sie lernte schnell und wir verstanden uns auf Anhieb. Wir wurden sehr enge Freunde und irgendwann entwickelte sich daraus Liebe. Eine alles verzehrende Liebe, die keinen Platz für andere zwischen uns zuließ. Mir war es nur recht. Zu lange hatte ich keine Partnerin an meiner Seite gehabt, die mir etwas bedeutete. Jinx bedeutete mir die Welt. Ich liebte sie aufrichtig und hätte alles für sie getan.
Die Erde drehte sich unablässig weiter, Jahre kamen und vergingen wie im Fluge und die Menschen veränderten sich. Auch wir änderten uns mit der Zeit und passten unseren Kleidungs- und Lebensstil den jeweiligen Epochen an. Alle Vampire, die nicht auffallen wollen, tun dies. Jinx mauserte sich zu einer richtigen Schönheit. Menschen, wie Vampire bewunderten und begehrten sie. Doch desto schöner sie wurde, desto eifersüchtiger wurde sie. Anfangs waren es nur Kleinigkeiten, über die sie sich beschwerte. Das war für mich auch nicht weiter Schlimm. Nach jedem Streit war sie besonders um die Widergutmachung bedacht und entschuldigte sich umso heftiger im Bett bei mir. Sie machte nie halbe Sachen. Leidenschaft bekam bei ihr eine völlig neue Bedeutung. So leidenschaftlich, wie sie mit mir stritt, so leidenschaftlich liebten wir uns im Nachhinein. Jinx kannte nur das Extreme.
Dann geschahen irgendwann die Morde. Zuerst wusste ich nicht, dass sie es war. Zu Beginn hielt sie sich noch zurück, doch nur für kurz. Egal welchen Frauen ich ein Lächeln schenkte, oder mich nur kurz mit ihnen über belanglose Dinge unterhielt, diese wurden zu ihren Opfern außerkoren. Ihr war es egal, ob diese Frauen verheiratet waren, ob sie Familie und Kinder hatten, oder gar einen ungeborenen Säugling unter ihren Herzen trugen. Meine Aufmerksamkeit ihnen gegenüber, war ihr sicheres Todesurteil. Mit blinder Wut suchte sie ihre Opfer auf und zerfetzte sie in kleine Stücke. Nach einer Weile dämmerte es mir, dass diese Morde mit mir zusammen hingen, denn es konnte einfach kein Zufall sein, dass Frauen, denen ich begegnet war, kurz darauf einen grausamen Tod fanden. Nach einem heftigen Streit, in dem ich sie zur Rede stellte, gestand sie mir, dass sie für die Morde verantwortlich war. Das war der Moment, indem etwas in mir zerbrach. Meine Liebe für sie war erloschen. Ich hatte sie gelehrt, nur im Notfall ein Menschenleben zu beenden. Ich selbst tötete in jungen Jahren unzählige von ihnen und verursachte dadurch Schmerz und Leid. Ich hoffte es mit Jinx irgendwie wiedergutmachen zu können, indem ich ihr beibrachte das menschliche Leben wertzuschätzen. Nur weil wir uns von ihrem Blut nähren, müssen Menschen deswegen nicht sterben. Dass Jinx diese mir überaus wichtige Lektion aufgrund von Eifersucht missachtete, war mir zuwider. Ich war enttäuscht und konnte ihr nicht mehr in die Augen sehen. Sie bettelte mich an, sie nicht zu verlassen. Aus Verzweiflung drohte sie mir sogar noch weitere Menschen zu töten, wenn ich sie verlassen würde. Doch alles Betteln und Drohen half nichts. Ich konnte meinen Entschluss nicht mehr
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