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Die Nachtmahr Wunschträume

Die Nachtmahr Wunschträume

Titel: Die Nachtmahr Wunschträume
Autoren: Jean Sarafin
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Gefühl, ohnmächtig zu werden. Klaus bemerkte es nicht, sondern meinte: »Ich fahre sie.«
    »Zur Schule?« Das Teufelchen in meinem Inneren hatte die Frage gestellt, bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte. Es war eindeutig mutiger als ich. Mein »Ich« lag auf dem Boden, zu einer kleinen Kugel zusammengerollt und wimmerte leise. Zum Glück nur geistig. In der Realität hielt ich mich tapfer aufrecht, mit einem Lächeln im Gesicht. Es gehörte zu meinem Pokerface dazu. Es saß nicht ganz so perfekt wie sonst, aber immerhin ...
    »Natürlich. Wohin denn sonst?«
    Ja, wohin denn sonst? Ich unterdrückte ein herablassendes Lachen. Zum Glück, denn es wäre mir quasi im Halse steckengeblieben, da Klaus zu mir herumfuhr. Einen Augenblick lang sah er mich mit einem Ausdruck an, den ich nicht deuten konnte. Sein Blick war durchdringend wie eh und je, prüfend, als könne er mir bis in die Seele sehen, doch auch etwas anderes lag darin, vielleicht Erschrecken.
    Er wartete, bis David das Haus verlassen und Meg nach oben gegangen war – sein Blick verließ dabei nicht einmal mein Gesicht – dann deutete er mir, ins Wohnzimmer zu gehen.
    Mit einem mulmigen Gefühl folgte ich seiner stummen Geste und schrak zusammen, als er die Tür hinter mir schloss. Trotzdem drehte ich mich nicht zu ihm um. Auf gar keinen Fall wollte ich, dass er irgendwie doch sehen konnte, wie ich mich fühlte. Nämlich beinahe zu panisch, um zu atmen.
    »Ich dachte, wir könnten vielleicht Frieden schließen«, meinte er. Seine Stimme klang anders als sonst. Weniger sonor und manipulativ. Ich riskierte einen Blick über die Schulter. Auch er hatte sich noch nicht umgedreht, sondern stand immer noch, beide Handflächen an das Holz gepresst, das Gesicht abgewandt.
    Ich biss die Zähne aufeinander, um die Angst in meinem Inneren unter Kontrolle zu bekommen und um ein Schluchzen zu unterdrücken. »Ich wusste gar nicht, dass wir Krieg haben.«
    Er sah auf und unsere Blicke kreuzten sich. Trotz des Wildwuchses in seinem Gesicht war der Ausdruck in seiner Miene jetzt deutlich lesbar. Ehrlichkeit, Trauer ... Reue?
    Ich gab mir einen Ruck. »Ich habe deine Pfefferminze noch. Sie ist sehr groß geworden.«
    Klaus drehte sich zu mir und betrachtete mich eindringlich. Wieder schlich sich ein Funkeln ungeteilter Aufmerksamkeit in seine unglaublich dunklen, braunen Augen. Der größte Unterschied zwischen ihm und jedem anderen Menschen. Noch nie war mir jemand begegnet, der so ... fokussiert sein konnte. Etwas, was mich sehr nervös machte.
    Schließlich schlich sich ein Lächeln in sein Gesicht. Trotz seines Vollbartes war das Verziehen der Lippen deutlich zu erkennen. »Das, was du gestern Nacht gesagt hast ...«
    »Lass gut sein. Ich bin siebzehneinhalb, werde in vier Wochen achtzehn und dann seit ihr mich los.« In Gedanken fügte ich hinzu:
Oder ab Davids Geburtstag
. Nervös flocht ich meine Finger in meine Haare, unfähig, diese Geste zu stoppen.
    »Nicht.« Klaus fing meine Hand ein und sah mich ernst an. »Nicht«, wiederholte er sanfter und drückte sie nach unten. »Hör auf, dich selbst zu geißeln. Du hast nichts falsch gemacht.« Abrupt ließ er mich los und drehte sich um, als könne er mir nicht länger in die Augen blicken. »Es ist nicht deine Schuld. Es ist meine. Ganz allein.«
    Klaus atmete tief durch. »Ich erwarte nicht, dass du mir verzeihst und ich erwarte auch nicht, dass du meine Entschuldigung annimmst. Aber vielleicht wirst du es irgendwann vergessen können ...« Er schien einen Moment lang mit sich zu ringen. »Du hast Recht. Ich habe versagt und zugelassen, dass Meg dich abschiebt ... weil ich froh war, dich nicht mehr jeden Tag sehen zu müssen.«
    Oh wow ... das war hart! Wie von selbst setzte sich mein Körper auf die Couch. Wie betäubt hörte ich: »Nach dem Brand bist du zu uns gekommen, zu Meg, und warst so traurig und so ... verletzlich. Ich konnte deinen Anblick einfach nicht ertragen.«
    Mir liefen die Tränen die Wangen hinab. Ich versuchte gar nicht sie aufzuhalten. Und ich hatte wirklich gedacht, er würde mich mögen! Klaus setzte sich neben die Stelle, an der ich wie versteinert saß.
    »Ich war nicht stark genug. Jedes Mal, wenn ich dich gesehen habe, wurde ich an den Brand erinnert. Daran, dass ich mich genauso gefühlt habe wie du ... Ich war einfach nicht stark genug. Nicht stark genug, es zu ertragen, nicht stark genug, auch noch die Person zu trösten, die mich daran erinnert, was ich an diesem Tag verloren
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