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Die Nachtmahr Wunschträume

Die Nachtmahr Wunschträume

Titel: Die Nachtmahr Wunschträume
Autoren: Jean Sarafin
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Blick zu achten, stieg mein Stiefonkel aus. Es gelang mir gerade noch, meine Tür zu öffnen, bevor er den Gentlemen raushängen lassen und sie für mich aufmachen konnte. Danach kam ich drei Schritte weit, bevor Klaus zu mir aufschloss. »Ich komme mit.«
    »Ist nicht nötig«, wiegelte ich ab. Wer ließ sich schon gerne von seinen Erziehungsberechtigten (übrigens ein ganz tolles Wort!) in die Schule begleiten? Niemand. Zum Glück war auch niemand vor dem Eingang, da die erste Unterrichtsstunde schon angefangen hatte.
    »Ist noch genauso schrecklich, wie ich sie in Erinnerung hatte.« Klaus betrachtete die Stufen.
    »Du bist hier zur Schule gegangen?«, fragte ich ungläubig und ging hinauf. Der Gedanke war seltsam. Gar nicht so sehr der, dass er auf diese Schule gegangen war, als der daran, dass er überhaupt zur Schule gegangen war. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass er einmal ein Junge gewesen war; einer mit Träumen, Wünschen, Zukunftsplänen.
    »Ja. Meg, Nadja und deine Mom auch.«
    »Oh!« Das hatte ich auch nicht gewusst! »Drückst du dich deswegen vor Schulveranstaltungen?«
    Er grinste und zwinkerte mir zu. »Was hast du denn gedacht?«
    »Dass sie auch sonst schon schrecklich und abschreckend genug sind.«
    Klaus bog Richtung Sekretariat ab. Anscheinend hatte sich in all den Jahren nichts am Aufbau oder der Organisation der Schule geändert.
    Das Schweigen, das sich dieses Mal zwischen uns legte, war eines der nicht angenehmen Sorte. Als hätte einer von uns eine Grenze überschritten, die nicht überschritten werden sollte. Meine Vermutung fiel auf mich. Deswegen meinte ich: »Du musst wirklich nicht mitkommen.«
    »Ich bin schuld, dass du am ersten Tag nach den Ferien zu spät kommst, also werde ich wohl auch die Entschuldigung überbringen können?!« Klaus’ Worte klangen wie ein leichter Tadel, obwohl er mir abermals zuzwinkerte, bevor er an der offenen Tür anklopfte.
    Die Sekretärin sah hoch und ihre Miene veränderte sich beinahe unmerklich. Doch nach dem ersten verborgenen Schock fing sie an zu strahlen. Mit einer fließenden Bewegung erhob sie sich von ihrem Stuhl und umrundete die Empfangstheke, um Klaus die Hand zu reichen – ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen.
    Wie selbstverständlich beugte sich mein Stiefonkel ein wenig nach vorne und führte die Hand an seine Lippen, um sie zu küssen. Doch formvollendet und »wie es sich gehörte« landete der Kuss auf seinem Daumen.
    »Ein schöner Verlobungsring«, meinte er und betrachtete das Schmuckstück an der Hand der Schulsekretärin.
    »Sie sollten erst einmal den Ehering sehen«, meinte unser plötzlich handzahm gewordener Schuldrachen verschwörerisch und sah sich um. Mich immer noch ignorierend zog sie ihre Kette aus dem Ausschnitt und hielt Klaus den Anhänger entgegen. Er entpuppte sich bei näherer Betrachtung als dreifacher, ineinander verschlungener Ring in drei Tönen: Silber, Gold und Bronze.
    »Passt zu der schönen Hand einer schönen Frau«, behauptete Klaus.
    Ich musste ein leichtes Würgen unterdrücken. Die Sekretärin ein Kichern. Dabei gab sie sich deutlich weniger Mühe als ich. Stattdessen knickste sie. »Sie sind wirklich ein Charmeur.«
    Oh bitte! Würg!
    »Bei manchen Damen lohnt es sich eben.« Ein schmeichelnder Unterton hatte sich in seine Stimme geschlichen. Manipulativ. »Ihre neue Frisur sieht toll aus.«
    Welche neue Frisur? Die Frau sah aus, wie eh und je.
    »Danke!«
    Oh! Offensichtlich doch nicht ...
    »Der Ton steht ihnen«, meinte er so selbstverständlich, dass das Kompliment gleich doppelt zu wirken schien. Die Wangen der älteren Frau färbten sich in einem sanften Rotton. Sie reagiere auf ihn als wäre er ... keine Ahnung ... Brad Pitt oder so ...
    Ich betrachtete Klaus, konnte aber keinen Brad Pitt finden. Er war derselbe Typ wie immer. Genauso struppig und ungepflegt. Die dicken Klamotten seltsam bis unpassend. So seltsam, dass ich auf einmal das Gefühl hatte, sie könnten wattiert sein. Eine wattierte Tarnung um den Rest der Welt zu täuschen.
    Plötzlich wurde die Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Eingangs aufgerissen und mein Argwohn verflog genauso schnell, wie er gekommen war – nur um einem neuen, ganz üblen Verdacht Platz zu machen: Auf einmal war ich mir zu einhundert Prozent sicher, dass Klaus’ galantes Mitkommen nichts mit mir oder der Sekretärin zu tun gehabt hatte.
    Mit Eintreten des neuen Schuldirektors wurde die Atmosphäre im Raum frostig und die
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