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Die Nacht von Sinos

Die Nacht von Sinos

Titel: Die Nacht von Sinos
Autoren: Jack Higgins
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mit einer Kugel im Bein zweihundert Meilen weit marschieren kannst, dann schaff ich's auch bis zu dieser verdammten Tür.«
    Trotzdem war ich froh, als ich mich wieder hinsetzen konnte. Er reichte mir eine Zigarette und fragte: »Was geschieht nun?«
    »Das muß ich mir erst überlegen. Irgend etwas wird uns schon einfallen. Es sind ja nur noch zwei übrig: Aleko und Melos. Die übrigen hat er in Kyros zurückgelassen.«
    »Trotzdem, eine ekelhafte Sache«, sagte er. »Melos ist ein ganz besonderer Typ. Wenn er nur den geringsten Verdacht schöpft, wird er sie umbringen, ohne mit der Wimper zu zucken - meine beiden Söhne und Lady Sarah.«
    »Er wird sie ohnehin umbringen, alter Freund«, antwortete ich. »So oder so, und uns ebenfalls. Von seinem Standpunkt aus gibt's keine andere Möglichkeit.« »Und Aleko?« »Der ist fertig.« »Was machen wir also?«
    Er erwartete ein Wunder von mir. Ich spürte die zunehmenden Kopfschmerzen, vielleicht hätte ich doch den Whisky nicht trinken sollen.
    »Ich brauche frische Luft«, sagte ich und stand auf. In Wirklichkeit wußte ich nur nicht, was ich ihm antworten sollte. Ich mußte einfach Zeit gewinnen, und er wußte es wahrscheinlich auch.
    Ich kam sogar aus eigener Kraft die Leiter hoch, weil ich das rechte Bein überhaupt nicht mehr spürte. Und auch meine linke Hand fühlte sich an, als wäre sie am Gelenk abgetrennt.
    Er blieb dicht hinter mir und stützte mich. So traten wir ins Tageslicht hinaus. Es war ein stiller, heller Nachmittag. War das alles wirklich geschehen? Aber dann sah ich die Einschußlöcher im Deck, auf der Steuerbordseite und das von der Hitze bereits getrocknete Blut, an der Stelle, wo es Lazanis erwischt hatte.
    Die Aktenmappe lag auf dem Boden des Ruderhauses. Ich hob sie auf und setzte mich hin.
    »Du kennst dich doch mit solchen Dingern aus«, sagte er. »Wie gefährlich ist es?«
    »Hast du schon einmal gesehen, wie eine Handgranate mitten in einem Haufen Infanteristen landet?«
    »So schlimm?«
    »Wer sich daran zu schaffen macht, ist ein toter Mann, und wahrscheinlich erwischt es auch noch ein paar drumherum. Der Sprengsatz wird nicht denselben Radius wie eine Handgranate haben, aber es reicht.«
    »Und das passiert, sobald man das Schloß zu öffnen versucht?«
    »Wenn man nicht einen bestimmten Schlüssel hat.« Auf dem Kartentisch lag ein Schraubenzieher. Ich griff danach und schob ihn unter das Schnappschloß. »Ich muß jetzt nur an dem Schloß herumfummeln, dann fliegen wir in die Luft.«
    Ich bemerkte mit Erstaunen, daß es auch bei diesem Mann so etwas wie Angst geben konnte.
    »Ein scheußlicher Tod«, murmelte er.
    »Es könnte noch schlimmer kommen: Man könnte am Leben bleiben, verkrüppelt, ohne Hände und ohne Augen.«
    »Das würde ich meinem schlimmsten Feind nicht wünschen.«
    Diese Bemerkung brachte mich endlich auf die richtige Idee, Auf den einzigen Ausweg, der uns noch blieb.
    Ich erklärte ihm mein Vorhaben.
    Als ich fertig war, zog er ein grimmiges Gesicht. »Du weißt doch, daß das dein Tod ist.«
    »Wenn ich Glück habe, nicht. Aber dann haben wenigstens Sarah und deine beiden Jungs eine Chance. Eine echte Chance, die sie jetzt nicht haben.«
    »Und du glaubst wirklich, daß Melos darauf hereinfällt?«
    »Niemand stirbt gern«, antwortete ich. »Nicht einmal Melos. Er will am Leben bleiben und der neue Chef der Sicherheitspolizei werden, sobald seine Freunde ans Ruder kommen. Macht, Frauen, Geld - das ist es, was er wirklich will. Das bekommt er nur, wenn er am Leben bleibt.«
    Er hockte zu meinen Füßen auf dem Deck, eine Zigarette im Mundwinkel und blickte in die Ferne. Schließlich seufzte er auf.
    »Nun gut, mein Freund, ich will dir nicht im Weg stehen. Aber ich bestehe darauf, auch einen kleinen Beitrag zu leisten.«
    Er ging nach hinten zum Heck, wo unsere Taucherausrüstung lag. Als ich ihn erreichte, hatte er die Blechdose mit dem Sprengstoff geöffnet und untersuchte gerade die Zündungen.
    »Die kurzen haben eine Brenndauer von fünf Sekunden, stimmt das?« fragte er.
    »Du mußt schwimmen wie ein Verrückter, wenn du aus der unmittelbaren Gefahrenzone herauskommen willst.«
    »Und wenn fünf Pfund von diesem Sprengstoff im richtigen Augenblick explodieren? Würde das helfen?«
    Mir fiel keine Antwort ein. Er lächelte nur zufrieden. »Wir werden am Leben bleiben, mein Freund. Du und ich, wir bleiben immer am Leben, das ist unser besonderes Talent. Jetzt geh" hinunter in die Kabine und schlafe ein wenig.
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