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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
Autoren: Nancy Baker
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brachte, und das hat er getan. Ich glaube, ich trauere mehr um das, was ich von ihm hätte lernen können, als um ihn selbst. Dimitri …« Sie hielt plötzlich inne und wandte sich von ihm ab. »Dimitri trauert um ihn«, sagte sie schließlich mit weicher Stimme.
    »Sie haben Recht«, meinte Mark nach einer Weile. »Ihr Leben ist sehr kompliziert.« Ardeth blickte immer noch auf den Fluss, aber er spürte die Spannung in ihr ebenso, wie er die steife Haltung ihres Rückens sehen konnte.
    »Wollen Sie nichts damit zu tun haben?«, fragte sie leise. Mark betrachtete ihr Profil. Er dachte an die Nacht, in der sie den Tunnel Mountain bestiegen hatten, erinnerte sich an ihr befreites Lachen, als sie ihren Rhythmus entdeckt hatte, an ihren heißen Mund, als sie ihn geküsst hatte. Dann dachte er an die verschlungene, von Sorge erfüllte Geschichte, die sie ihm gerade erzählt hatte. Er sah Dimitri Rossokows hochgewachsene Gestalt, wie sie sich silhouettenhaft in der Tür ihrer Wohnung abgezeichnet hatte.
    Sie würde ihm Probleme bereiten, das stand fest. Er konnte deutlich sehen, wie ihr seltsames kompliziertes Leben ihn von den geraden, sicheren Wegen abbrachte, auf denen er sich bewegte – weg von einem Leben, das in seiner eigenen, unkonventionellen Art geordnet war. Er konnte die Aussicht auf Schwierigkeiten und Schmerzen erkennen, und zwar ebenso deutlich wie Wolken, die Schnee verhießen.
    Aber zum Teufel damit, ein zu geordnetes Leben war auch ungesund. Risiken waren gut für den Blutkreislauf. Er legte die Hand auf ihren Rücken und strich in einer tröstenden Geste über ihr Rückgrat. »Nein. Nicht so lange Sie bereit sind, sich meine Lebensphilosophie anzuhören.«
    Ihr Kopf war gebeugt, aber er hörte das Lächeln aus ihrer Stimme heraus.
    »Also gut.«
    »Immer die Sicherungsknoten prüfen.«
    Ihr Körper zitterte einen Augenblick lang unter seiner Hand, dann richtete sie sich auf und sah ihn an. »Okay.« Das Wort klang wie ein Versprechen oder eine Prophezeiung. Als sie sich wieder in seinen Arm lehnte und den Kopf auf seine Schulter legte, beschloss er zu glauben, dass es das beides war.

40
     
    Akiko wartete auf ihn in der Tür der Jagdhütte, ihre Gepäckstücke lagen zu ihren Füßen. Rossokow ließ den Fahrer die Tür der Limousine öffnen und trat dann auf den kiesbedeckten Boden der Einfahrt. Hinter ihm wurde das Summen des Motors lauter, und als er sich umsah, konnte er sehen, wie der Wagen wieder die schmale Straße zurückrollte.
    »Keine Sorge, Rossokow-san. Er kommt gleich wieder zurück. Er holt nur Ardeth ab.«
    »Sie ist nicht im Apartment«, fühlte Rossokow sich genötigt zu erklären. Als der Fahrer bei Einbruch der Abenddämmerung erschienen war und ihn aus dem tiefen Schlaf geweckt und höflich darauf bestanden hatte, dass Miss Kodama ihn sprechen müsse, war Ardeth bereits weggegangen.
    »Es ist arrangiert worden«, versicherte ihm Akiko, und Rossokow fragte sich unwillkürlich, wie das wohl geschehen war. Aber in Wahrheit gab es für ihn eigentlich keinen Grund, es zu erfahren, räumte er ein. Er und Ardeth hatten in den Stunden seit Fujiwaras Tod nicht viel miteinander geredet. Er wusste, dass sie sich auf die Suche nach Mark Frye begeben hatte, und nahm an, dass sie ihn gefunden hatte. Aber das war nicht wichtig. Als die Morgendämmerung angebrochen war, hatten sie die Zuflucht ihres verdunkelten Schlafzimmers aufgesucht und waren, immer noch stumm, eng umschlungen eingeschlafen.
    »Reisen Sie ab?«, fragte er und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Frau zu, die vor ihm stand. Sie nickte. »Was werden Sie jetzt tun?«
    »Ich gehe nach Hause.«
    »Was ist mit Yamagata? Werden Sie für ihn arbeiten?«
    »Nein. Ich habe für Fujiwara-san gearbeitet, nicht für die Makato-gumi. Ich denke, ich werde mir etwas Zeit nehmen und mir darüber klarwerden, was ich tun möchte.« Sie lächelte schwach. »Fujiwara-san war sehr großzügig.«
    »Und Sie wollten nicht so viel wie Yamagata.« Das war zur Hälfte eine Feststellung, zur Hälfte eine Frage, aber sie verstand.
    »Nein. Aber wie ich schon Ardeth sagte, ich bin jung. Vielleicht sehe ich das anders, wenn ich alt bin, und dann …« Ihre Augen senkten sich und blickten dann wieder auf. Rossokow sah ihr in die Augen und empfand eine Art von vagem Schock. Die Frau, die er vor zwei Nächten kennengelernt hatte, war ihm wie eine stille Funktionärin vorgekommen, humorlos und unfähig zu verspieltem, tändelnden Humor. Er lächelte und
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