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Die Nacht am See

Die Nacht am See

Titel: Die Nacht am See
Autoren: Julianne MacLean
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Jocelyn, das ist Brunhilde Meinhard.”
    Zitternd drehte die ältere Frau sich um. Ihr graues Haar war zu einem strengen Knoten frisiert. Sie trug eine große Brille mit einer durchsichtigen, altmodischen Plastikfassung.
    Jocelyn, die ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie die arme Frau so erschreckt hatte, streckte ihr die Hand entgegen und lächelte entschuldigend. „Hallo.”
    Mrs. Meinhard gab ihr zögernd die Hand.
    Einen Moment lang herrschte peinliches Schweigen, bis Jocelyn merkte, dass sie in ihrem engen Top und der Pyjamahose nur spärlich bekleidet war. Sie nickte höflich und deutete zu ihrem Schlafzimmer. „Da ich jetzt ohnehin auf bin, werde ich mich mal anziehen gehen.”
    Weder Dr. Knight noch Mrs. Meinhard sagten ein Wort, als Jocelyn sich abwandte.
    Barfuss ging sie den Flur entlang, und zu ihrem großen Ärger konnte sie nur an eins denken: Ihr Klient trug nachts lediglich eine Pyjamahose. Sein Oberkörper war nackt, und es war ein Oberkörper, der ihre Fantasie leider enorm beflügelte.
    Ich glaube, ich stecke ernsthaft in der Klemme, dachte sie.

3. KAPITEL
    Eine Stunde später kam Jocelyn geduscht und angezogen aus ihrem Zimmer, die Waffe sicher im Holster unter dem Arm und vom zugeknöpften Blazer verdeckt. Sie ging in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen und traf dort auf Mrs. Meinhard, die das schon erledigt hatte und jetzt die Messingknöpfe der weißen Schränke polierte.
    „Noch einmal guten Morgen”, sagte Jocelyn.
    Mrs. Meinhard betrachtete sie kühl. „Morgen.”
    Jocelyn schenkte sich Kaffee ein und sah der Haushälterin zu. „Hören Sie, es tut mir Leid, was vorhin geschehen ist. Ich wollte Sie nicht erschrecken, aber Dr. Knight hat mich eingestellt, damit ich einen Job erledige, und genau das habe ich getan.”
    Ohne etwas darauf zu entgegnen, fuhr die Frau fort zu putzen.
    „Ich vermute, Sie waren nicht hier, als der Einbruch stattgefunden hat”, meinte Jocelyn,
    „aber ist Ihnen am nächsten Morgen irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen? Irgendetwas, was Sie der Polizei nicht erzählt haben?”
    Die Frau richtete sich auf und faltete ihren Lappen. Sie sprach mit einem schweren Akzent.
    „Ich sagen der Polizei alles.”
    „Das bezweifle ich nicht, Ma’am. Ich frage nur, ob es vielleicht etwas gibt, woran Sie vorher noch nicht gedacht haben, als sie mit der Polizei sprachen.”
    „Nein. Nicht. Sie arbeiten für Polizei?”
    Jocelyn studierte aufmerksam das Gesicht der Frau. „Nein, ich bin selbständige Sicherheitsexpertin.”
    Mrs. Meinhard nickte, doch Jocelyn vermutete, dass sie nicht ganz verstanden hatte.
    Sie schoss noch ein paar weitere Fragen ab. „Können Sie mir etwas über die Leute erzählen, die Dr. Knight besuchen? Was ist mit Freunden oder Familie? Hat irgendjemand von ihnen einen Schlüssel?”
    Mrs. Meinhard schüttelte den Kopf. „Dr. Knight haben keine Familie - jedenfalls niemand kommt her.”
    „Keine Geschwister?”
    „Ich weiß nicht.”
    Jocelyn räusperte sich. Wie konnte eine Haushälterin, die seit vier Jahren jeden Tag im Haus eines Menschen arbeitete, nicht wissen, ob ihr Arbeitgeber Geschwister hatte?
    Andererseits gab es, abgesehen von dem gerahmten Foto eines jungen Paares mit einem Baby, keine Fotos von Menschen hier in der Wohnung. Vielleicht war Dr. Knight während Mrs.
    Meinhards Arbeitszeit die meiste Zeit im Krankenhaus, und sie war schon zu Hause, wenn er Besuch bekam.
    Trotzdem war es merkwürdig.
    „Was ist mit Freunden? Hat sein Kollege, Dr. Reeves, einen Schlüssel? Oder was ist mit Freundinnen?”
    Erneutes Kopfschütteln. „Keine Frauen. Er gehen viel aus, aber hier kommt niemand.”
    Jocelyn hörte, wie die Tür zu Dr. Knights Schlafzimmer geöffnet wurde, dann erklangen Schritte. Überrascht sah sie, dass er keine Arbeitskleidung, sondern Sportzeug trug.
    Wieder einmal spürte Jocelyn, wie ihr bei seinem Anblick ganz warm wurde. Er sah völlig anders aus als gestern Abend im Smoking. In Turnschuhen und dem ärmellosen T-Shirt, das seine breiten, muskulösen Schultern betonte, wirkte er fast wie ein ganz durchschnittlicher Mann. Nein, nicht durchschnittlich, korrigierte sie sich. Nicht mit diesem Körper.
    Er ging durch die Küche, offensichtlich auf dem Weg zur Haustür. „Hallo.”
    Jocelyn stellte ihren Becher zur Seite und folgte ihm. „Warten Sie. Wir wollten doch heute Morgen den Vertrag besprechen. Wohin wollen Sie?”
    „Laufen.” Er zog die Schublade einer kleinen Kommode auf und holte einen
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