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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut
Autoren: Hans Waal
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Startbahn West heben heute die Ferienbomber ab und ob Pershing Zwei oder Drei - wahrscheinlich hat die ganze Wettrüsterei sogar den Kalten Krieg beendet, weil dem Ostblock die Kohle ausgegangen ist .«
    Jenny saß hinter uns und tat, als hätte sie nicht mitbekommen, wie Gerds Halsschlagadern pumpten. Statt dessen plante sie offenbar einen Beitrag, der die Welt verändern sollte.
    »Was meint ihr«, fragte sie, »sollen wir vielleicht noch einen Aufsager machen? «
    Ich drehte mich zu ihr um. Auch Busch starrte wütend in den Rückspiegel. Jenny aber blinzelte nur verständnislos zurück. Der Aufsager war ernst gemeint. Sie wollte den Zuschauern tatsächlich noch einmal vor der Kamera erklären, was ihre Interviewpartner schon hundertfach erklärt hatten, mit Regenschirm und Mikrofon in der Hand - lupenreiner Reporterkitsch.
    »Vielleicht trägt es ja auch was Größeres«, sagte sie, »eine halbe Stunde Reportage oder so. Ist doch ein Hammer, dass es solche Leute noch gibt.. .«
    »Nein«, sagte Busch scharf, beugte sich über meine Beine und ließ das Handschuhfach aufschnappen. Bart und Kehlkopf zuckten synchron, als er trank. Dann warf er mir die Flasche in den Schoß und ließ den Wagen an. Darauf erlaubte ich mir auch einen Schluck, und dass sich Busch nicht einmal darüber aufregte, zeigte nur, wie schwer er wirklich beleidigt war.
    Der Van schlingerte im Schlamm, während sich die Scheinwerfer durch den Wald tasteten. Jeder von uns wunderte sich, wo die ganzen Demonstranten auf einmal geblieben waren, aber behielt es für sich. Erst als der dichte Regen nahtlos in Dämmerung überging, raschelte Jenny mit einer Landkarte und stellte Mutmaßungen über die Richtung an. Gerd aber fuhr stur gerade aus, als wüsste er schon Bescheid.
    Eine halbe Stunde später war es richtig dunkel. Nach einer weiteren Stunde hatten wir zweimal gewendet, uns noch einmal gegenseitig angeschrieen und schließlich vergeblich den Weg zurück zur Lichtung gesucht. Gerd und ich klebten mit der Stirn an der Scheibe, aber mehr als fünf Meter Sicht ließ der Regen kaum zu. Und diese Waldwege sahen alle gleich aus.
    »Halt«, rief Jenny, »da war wieder eins! «
    Busch setzte sofort zurück, doch das gleiche Schild hatten wir erst vor ein paar Minuten gesehen: »Militärischer Sicherheitsbereich«, stand darauf, außerdem irgendwas von Blindgängern, etlichen Verboten und Lebensgefahr.
    »Vorhin stand es aber rechts«, sagte ich.
    »Nein, wir kamen nur von vorn«, knurrte Busch.
    »Egal«, stöhnte Jenny und hörte sich nun überhaupt nicht mehr an wie eine geduldige Grundschullehrerin. »Können wir nicht einfach mal in eine Richtung fahren? «
    28. MÄRZ /NACHTRAG II. Drei Einträge für nur einen Tag, das gab es noch nie in all den Jahren und kommt Dir sicher wie Verschwendung vor. Doch die Dinge überschlagen sich nun und wollen deshalb umso exakter und zeitnah protokolliert sein.
    Wenn man so will, bin ich sogar an allem schuld. Dabei ist mir nur ein Büchsenöffner abgebrochen, ein Missgeschick - und nachgerade lächerlich, was jetzt daraus gemacht wird.
    Der Dorn brach gleich nach der ersten Drehung an seiner schmalsten Stelle, wo er das Blech teilt. Vielleicht habe ich zu schräg angesetzt oder verzogen - was weiß ich. Es musste eben schnell gehen! Das Rindfleisch brutzelte schon in der Pfanne. Aber Konrad, der mir wie stets in der Küche half, kam wenig später mit leeren Händen aus dem Vorratstrakt zurück.
    Erst habe ich noch gelacht, so entsetzt, wie er auf die Dosen mit Bohnengemüse starrte. Konrad hört nicht mehr besonders gut, das hätte es sein können. Oder sein Gehirn war wieder mal von der Leimschnüffelei verkleistert, und er hatte den neuen Öffner schlicht vergessen, den er holen wollte. Doch all das war es nicht. Es sei der Letzte gewesen, flüsterte er und hielt das verstümmelte Werkzeug theatralisch in die Lampe.
    Nehmen wir eben ein Bajonett, sagte ich und schob erst mal das Fleisch vom Herd. Oder Josef würde irgendwas bauen, dem Juden falle sicher etwas ein... Aber Konrad schnitt meine Worte mit einer scharfen Handbewegung ab, als dürfte ich seine Andacht nicht mit derart praktischen Überlegungen stören.
    Bis auf das ewige Fauchen der Belüftung war es still in der Anlage. Ich wollte gerade zum Seitengewehr greifen, das vorschriftsmäßig an meinem Koppel baumelte, als Konrad mir beschwörend eine Hand auf den Arm legte und mit großen Augen flüsterte: Ob ich denn nicht verstünde? Eines Tages werde
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