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Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs

Titel: Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs
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Söhne investierten nun in Tiffany-Gläser, Kunst (Mary Cassatt und Georges Braques) und Wohneigentum in Honolulu. Außerdem konvertierten sie zum Protestantismus und aßen nicht mehr mit Stäbchen, sondern mit Messer und Gabel, um den Amerikanern ähnlicher zu sein.
    Meine Mutter, die 1936 in China geboren wurde, kam im Alter von zwei Jahren mit ihrer Familie in die Philippinen. Während der japanischen Okkupation verlor sie ihren kleinen Bruder noch im Säuglingsalter, und nie werde ich ihre Schilderung der japanischen Soldaten vergessen, die ihrem Onkel den Kiefer aufzwangen, Wasser in die Kehle schütteten und lachten, weil er wie ein stark aufgeblasener Ballon zu platzen drohte. Als General Douglas MacArthur 1945 die Philippinen befreite, lief meine Mutter stürmisch jubelnd den amerikanischen Jeeps hinterher, von denen aus die Soldaten Dosenfleisch an die Bevölkerung verteilten. Nach dem Krieg besuchte sie eine Sekundarschule der Dominikaner und wurde zum Katholizismus bekehrt. Sie studierte chemische Verfahrenstechnik an der Universität von Santo Tomas und schloss als Jahrgangsbeste summa cum laude ab.
    Mein Vater war derjenige, den es nach Amerika zog. Alsbrillanter Mathematiker, der sich in die Astronomie und Philosophie verliebt hatte, hasste er die geldgierige, hinterhältige Plastikgeschäftswelt seiner Angehörigen und widersetzte sich jedem Plan, den sie für ihn hatten. Er bewarb sich beim Massachusetts Institute of Technology um einen Studienplatz und wurde angenommen: Ein Kindheitstraum ging in Erfüllung. 1960 verlobte er sich mit meiner Mutter, und noch im selben Jahr trafen meine Eltern in Boston ein. Sie kannten keine Menschenseele im Land, und weil sie ausschließlich von ihren Studienstipendien lebten, überstanden sie die ersten beiden ungeheizten Winter nur mit vielen Decken. In nicht einmal zwei Jahren machte mein Vater seinen Doktor und wurde Assistenzprofessor an der Purdue University in West Lafayette, Indiana.
    Dass wir anders waren als alle unsere Mitbürger im Mittleren Westen, zwischen denen wir aufwuchsen, war meinen drei jüngeren Schwestern und mir immer klar. Mit chinesischem Essen in Thermosgefäßen wurden wir in die Schule geschickt, was ich demütigend fand – wie gern hätte ich Fleischwurst-Sandwiches gehabt wie alle anderen! Zu Hause mussten wir Chinesisch reden; die Strafe für jedes englische Wort, das uns versehentlich über die Lippen kam, war ein Schlag mit den Essstäbchen. Jeden Nachmittag übten wir Mathe und Klavier, und nie durften wir bei Freundinnen übernachten. Wenn mein Vater abends nach Hause kam, brachte ich ihm seine Pantoffeln und zog ihm die Straßenschuhe aus. Unsere Zeugnisse mussten erstklassig sein; während andere Kinder auch für ein B eine Belohnung erhielten, war bei uns zu Hause schon ein A minus undenkbar. In der achten Klasse wurde ich bei einem Geschichtswettbewerb Zweite und kam mit meiner Familie zur Preisverleihung. Jemand anderes hatte den Kiwanis-Preis als Jahrgangsbesterin allen Fächern erhalten, und nach der Feier sagte mein Vater zu mir: «Mach mir nie, nie wieder solche Schande.»
    Wenn ich Freunden diese Geschichten erzähle, schließen sie daraus, dass ich eine grauenhafte Kindheit hatte. Das Gegenteil ist richtig: Meine ungewöhnliche Familie gab mir Kraft und Selbstvertrauen. Als Außenseiter hatten wir gemeinsam angefangen, gemeinsam entdeckten wir Amerika und wurden dabei selbst Amerikaner. Ich weiß noch, wie mein Vater jeden Tag bis drei Uhr nachts arbeitete und so besessen war, dass er es gar nicht merkte, wenn eine von uns ins Zimmer kam. Aber ebenso gut weiß ich noch, mit welcher Begeisterung er uns mit Tacos und Sloppy Joes bekannt machte, mit den Dairy-Queen-Fastfood-Lokalen und diesen Endlosbuffets, bei denen man essen durfte, so viel man konnte, zu schweigen von Schlitten- und Skifahren, Krabbenfang und Kampieren. Und ich weiß noch, wie in der Grundschule ein Junge Schlitzaugen machte und unter Gejohle meine Aussprache von «Restaurant» ( rest- AU -rant ) imitierte – und wie ich mir in dem Moment schwor, meinen chinesischen Akzent loszuwerden. Aber ich erinnere mich auch an die Pfadfinderinnen und Hula-Hoop-Reifen, an Rollschuhfahren und Leihbüchereien, an den ersten Preis in einem Aufsatzwettbewerb, den die «Töchter der Amerikanischen Revolution» veranstalteten, und an den denkwürdigen, stolzgeschwellten Tag, an dem meine Eltern amerikanische Staatsbürger wurden.
    1971 nahm mein Vater ein Angebot der
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