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Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs

Titel: Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs
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University of California in Berkeley an, und wir brachen unsere Zelte ab und zogen in den Westen. Mein Vater ließ sich die Haare wachsen und trug das Friedenszeichen auf der Jacke. Dann begeisterte er sich für das Sammeln erlesener Weine und legte sich einen Tausend-Flaschen-Keller zu. Als er mit seiner Arbeit inder Chaostheorie international bekannt wurde, begannen wir um die Welt zu reisen. Mein elftes Schuljahr verbrachte ich in London, München und Lausanne, und unser Vater fuhr mit uns zum nördlichen Polarkreis.
    Aber er war auch ein chinesischer Patriarch. Als es so weit war, dass ich mich um einen Studienplatz bewerben musste, beschied er, ich hätte in Berkeley zu studieren (wo ich bereits akzeptiert war) und zu Hause zu wohnen. Und das war’s – für mich gab es keine Campus-Besichtigungen und keine Qual der Wahl. Ich widersetzte mich, wie er sich seiner Familie widersetzt hatte, fälschte seine Unterschrift und bewarb mich heimlich an einer Universität an der Ostküste, von der ich einiges gehört hatte. Als ich ihm gestand, was ich getan hatte – und dass ich jetzt einen Studienplatz in Harvard hätte –, verblüffte mich seine Reaktion: Buchstäblich über Nacht schwenkte er von Zorn auf Stolz um. Genauso stolz war er, als ich später mein Jurastudium an der Harvard Law School abschloss und als Michelle, seine zweite Tochter, das Yale College und die Yale Law School absolvierte und damit ebenfalls Juristin war. Am stolzesten (wenn auch gemischt mit leiser Trauer) war er, als seine dritte Tochter Katrin auszog und nach Harvard ging, um dort Medizin zu studieren und zu promovieren.
    Eine neue Umgebung verändert den Menschen. Als ich vier war, sagte mein Vater zu mir: «Solange ich lebe, heiratest du keinen Nichtchinesen.» Aber dann heiratete ich Jed, und heute sind mein Mann und mein Vater die besten Freunde. Als ich klein war, hatten meine Eltern kein Mitgefühl mit Behinderten. In weiten Teilen Asiens gelten Behinderungen noch heute als Schande, und als meine jüngste Schwester Cynthia mit Down-Syndrom zur Welt kam, rieten etliche Verwandte, wir sollten sie doch in die Philippinen schickenund dort in einem Heim unterbringen. Stattdessen deckte sich meine Mutter mit Literatur über Lernschwächen aller Art ein und engagierte sich in Behindertenorganisationen. Auch waren meine Eltern, solange wir klein waren, nicht an Politik interessiert; die wichtigste Organisationseinheit war für uns die Familie. Das alles stimmt wohl nach wie vor, doch sind meine Eltern heute politisch interessierte Staatsbürger, und mein Vater zitiert sogar gelegentlich die Verfassung.
    In einem abgelegenen Winkel meines Bewusstseins sitzen ein kleines Bedauern, dass ich keinen Chinesen geheiratet habe, und die Sorge, dass ich mich von einer viertausendjährigen Zivilisation abgekoppelt habe. Aber der allergrößte Teil von mir ist unendlich dankbar für die Freiheit, die Amerika mir ermöglicht hat, und für die Chance, mein Leben zu gestalten. Meine Töchter fühlen sich nicht als Außenseiterinnen. Ich manchmal schon noch. Aber das empfinde ich eher als Auszeichnung denn als Last.

5     Degeneration
     
     
    Ich als Neugeborene und meine mutigen Eltern zwei Jahre nach ihrer Ankunft in Amerika
     
    Eine meiner größten Ängste ist der Leistungsabfall von einer Generation zur nächsten. «Wohlstand überdauert kei-ne drei Generationen», lautet eine alte chinesische Weisheit, und ich wette, dass ein Empiriker, der eine Längsschnittstudie über das Leistungsniveau in verschiedenen Generationen durchführt, bei chinesischen Einwanderern der letzten fünfzig Jahre, die das Glück hatten, als Studenten oder Facharbeiter in die Vereinigten Staaten zu kommen, ein bemerkenswert einheitliches Muster feststellen würde. Es sähe mehr oder weniger folgendermaßen aus:
     
    – Die Generation der Einwanderer (wie meine Eltern) ist die fleißigste. Viele fangen bei ihrer Ankunft in den USA praktisch mittellos an und arbeiten unermüdlich, bis sie erfolgreiche Ingenieure, Wissenschaftler, Ärzte,Akademiker oder Geschäftsleute geworden sind. Als Eltern sind sie extrem streng und geradezu fanatisch sparsam. («Der Teller wird leer gegessen!» – «Wieso verwendest du so viel Spülmittel?» – «Du brauchst keinen Frisör, ich schneide dir das Haar noch viel hübscher.») Sie investieren in Grundbesitz. Sie trinken wenig. Alles, was sie tun und verdienen, fließt in die Erziehung und die Zukunft ihrer Kinder.
    – Die
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