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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme
Autoren: John Barnes
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für gute Hunde sie seien
– aber ab und zu müssen Sie ihnen auch einen Tritt
versetzen, sonst pinkeln sie Ihnen auf den Teppich.« Es ist
Zeit, dieser Reporterin ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen.
»Wenn mir die Frage nicht gefällt, kann ich das Interview
jederzeit abbrechen.«
    »Das ist mir, weiß Gott, klar, Frau Präsidentin,
aber ich würde mir morgen in den Hintern treten, wenn ich es
nicht versuchte«, sagt Jameson mit einem genauso raubtierhaften
Grinsen. Nun, Hardshaw wird zum drittenmal kandidieren, und mit
Jameson hat sie einen Draht zu den Medien. Nach einer angemessenen
Pause sagt Jameson: »Sie sagten doch, Jesse und Mary Ann seien
nur Passagiere? Aber sind das nicht – nun, wir sind doch alle
nur Passagiere, und Sie selbst am meisten.«
    Eine tolle Frage. Jetzt braucht Hardshaw dringend eine tolle
Antwort. Sie wendet die übliche Verzögerungstaktik an
– sie lehnt sich zurück, atmet tief durch und schaut so
nachdenklich drein, wie sie nur kann. Schließlich nimmt sie
Zuflucht zur ältesten Taktik – sie sagt die Wahrheit:
»So hatte ich das noch gar nicht gesehen, aber Sie haben recht.
Und es wird noch lange Zeit so bleiben. Auf eine Art und Weise, die
sich unserem Verständnis letztlich entzieht, ist das alte
System, das auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam beruhte, auf
Jahrzehnte hin zusammengebrochen, so daß wir uns heute in einem
endlosen Zyklus aus Diskussionen und Handlungen bewegen, wobei
niemand an der Spitze steht und eben getan wird, was getan wird. Und
nun müssen wir die Welt wieder aufbauen – nicht völlig
von Grund auf, aber fast – und dann sehen wir uns mit einem
halben Dutzend neuartiger Phänomene konfrontiert, mit denen wir
uns arrangieren müssen, bei Carla und Louie angefangen. Ich
glaube, wir, und ganz besonders ich, müssen uns treiben lassen
und einfach das tun, was wir für richtig halten und im Rahmen
unserer Möglichkeiten handeln – im Bewußtsein,
daß diese Möglichkeiten begrenzt sind.«
    Ein Klingeln ertönt, und auf dem Bildschirm, auf dem sie mit
Jameson kommuniziert, erscheint ein Fenster, auf dem die junge Frau
von eben zu sehen ist. »Chefin, Mary Ann Waterhouse ist wieder
auf Sendung, und die Gruppe hat den Gipfel des Monte Alban fast
erreicht. In ein paar Minuten muß es losgehen, was immer
›es‹ auch sein mag.«
    Hardshaw hat eine plötzliche Eingebung. »Besteht
vielleicht die Möglichkeit, daß ich und Ms. Jameson die
Telefonverbindung aufrechterhalten, während wir beide die
Geschehnisse auf Monte Alban über XV beobachten?«
    »Äh… das ist sicher möglich…« –
sie schaut zur Seite, hört intensiv zu, nickt ein paarmal…
»Ja, das ist sicher möglich. Sie müssen nur statt
einer normalen XV-Brille Stereovisoren tragen. Wir werden den
Bildschirm so weit freimachen, daß Sie denselben Effekt haben
wie bei einer normalen Brille; außerdem blenden wir in einer
Ecke des großen Bildschirms ein kleines Fenster für das
Gesicht des jeweiligen Gesprächspartners ein.«
    Berlina Jameson macht, um es vorsichtig auszudrücken, ein
verdutztes Gesicht, und genau das war Hardshaws Kalkül. Wenn man
auf junge, ehrgeizige Reporter trifft, muß man sie kooptieren,
und auf diese Art gelingt ihr das. »Also, Mit-Passagierin«,
sagt Hardshaw, »und das ist nicht zur Veröffentlichung
bestimmt, weil es genügend alte Stammwähler dort
draußen gibt, die dieses Wort mit ›Mitreisende‹
verwechseln würden – sollen wir uns aufmachen und schauen,
was die Geschichte für uns bereithält?«
    »Mit Ihnen immer, Frau Präsidentin.«
    »Supermädchen«, denkt Hardshaw, »das wollte
ich nur hören.«
     
    Der erste Eindruck, den man von der Straße aus von Monte
Alban bekommt, ist nicht sehr beeindruckend, bis einem dann
bewußt wird, was man da überhaupt betrachtet. Steil
führt die Straße zum Besucherzentrum hoch, einem dieser
häßlichen kleinen Quader, der genauso gut eine Station der
Autobahnpolizei, ein Friedhofsgärtnergebäude oder eine
Einrichtung darstellen könnte, die in Gefängnissen für
Besuche von Ehepartnern vorgesehen ist.
    Hinter dem Besucherzentrum scheint der Berg weiter in die
Höhe zu ragen; bei näherem Hinsehen erkennt man dann,
daß die Wand zum Teil jüngeren Ursprungs, zum Teil uralt
ist – und dann erblickt man die Reste von antiken Wällen
und Gebäudefassaden und sieht, wie hoch der ganze Komplex
tatsächlich ist.
    Hinter dem Besucherzentrum beschreibt die Straße einen
Bogen, und wenn man sich dann nach rechts
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