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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter
Autoren: Petra Hammesfahr
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ihr noch ein paar Wochen, im Höchstfall zwei Monate.
    «Was um alles in der Welt hat sie denn?»
    «Sie ist positiv», sagte Kemnich.
    «Was heißt das?»
    Jürgen stand neben mir, um notfalls einzugreifen und persönlich zu sagen, was er von Kemnich wollte – nichts mehr. Auf meine Frage verdrehte er die Augen und flüsterte: «In was für einer Welt lebst du eigentlich? Sie hat gefixt! Was holt man sich denn mit dreckigen Nadeln?»
    Kemnich sagte: «Aids. Zu schwach, um die Augen richtig aufzumachen, aber noch ziemlich aufmüpfig. Ich habe ihr ein paar Fragen gestellt, und das Einzige, was ich von ihr gehört habe, war: Verpiss dich, du Scheißer. Nitas Mutter ist übrigens informiert, seit letzten Donnerstag schon. Aber bisher hat die Dame es nicht für nötig befunden, am Bett ihrer Tochter zu erscheinen. Ich bleibe noch bis morgen. Vielleicht ist Nita dann umgänglicher. Oder ich habe das Glück und kriege Blacky zu packen.»
    «Wer ist Blacky?»
    «Irgendein Mädchen», sagte Kemnich zögernd. «Die Leute aus der Kommune kennen sie nicht. Von denen habe ich nur gehört, dass diese Blacky Nita in dem Nobelschuppen abgeliefert und alle paar Tage mal nach ihr gesehen hat. Sie ließ jedes Mal etwas Geld da, damit Nita versorgt wurde. Vor einer Woche hat sie Nita dann ins Krankenhaus geschafft. Aber das habe ich Ihnen ja gestern schon erzählt. Ich habe hier mit dem Arzt gesprochen, er wusste nur, dass Nita am vergangenen Mittwochabend in der Notaufnahme abgeliefert wurde. In der Notaufnahme erinnert man sich praktisch an gar nichts. Aber fest steht, dass Nitas Papiere vorgelegt wurden. Und dazu dürfte Nita selbst nicht mehr in der Lage gewesen sein. Ich denke mir, wenn Blacky so besorgt ist um Nita, wird sie sich vielleicht mal an ihrem Bett blicken lassen.»
    «Vielleicht», sagte Jürgen spöttisch und stieß die Luft aus.Blacky! Der Name einer Araberstute, die eingschläfert werden musste. Und ein anderes Wort für Hoffnung. Jemand mit einem großen Herzen. Jemand, der sich kümmerte um die, die an der Welt verzweifelten. Jemand wie Rena?
    Obwohl Jürgen mich mit Blicken fast an die Wand nagelte, mir den Hörer abzunehmen wagte er nicht. Ich bat Kemnich, sich in der Szene umzuhören, ob Blacky anderen bekannt war. Und natürlich sollte er noch einmal versuchen, mit Nita zu reden. Ich nannte ihm die Fragen, die er stellen sollte.
    Kemnich hatte keine Fragen, hatte auch am Dienstag keine gehabt. Er wusste wohl längst, wie die Dinge bei uns standen. Man konnte nicht ausschließen, dass er Kontakt zu Klinkhammer gehabt hatte und informiert war über Udos Geständnis und alles Weitere. Er hütete sich, auch nur mit einem Ton anzudeuten, Blacky und Rena könnten identisch sein.
    Jürgen nannte ihn einen raffinierten Hund, der genau wusste, was er tat, der auch genau wusste, wie man Leute ködert. Das war Kemnich mit Sicherheit nicht. Er hatte mich nicht geködert. Im Gegenteil, er war äußerst zurückhaltend.
    Als er am Donnerstag anrief, sprach er zuerst nur über Regina Kolter. Er war am Vormittag im Krankenhaus gewesen, hatte sie an Nitas Bett angetroffen und sich mit ihr unterhalten. Er war erstaunt und beeindruckt. So habe er sich eine Frau vom Fach nicht vorgestellt, sagte er.
    Regina Kolter hatte sich bei den Ärzten erkundigt, ob ihre Tochter transportfähig sei und ob die Möglichkeit einer Pflege daheim bestehe.
    «Hätte ich nicht gedacht», sagte Kemnich. «Es ist ihr verdammt ernst damit. Sie will sie tatsächlich nach Hause holen. Die Ärzte haben ihr abgeraten, aber sie bleibt hart.»
    «Was ist mit Blacky, haben Sie da noch etwas in Erfahrung gebracht?»
    Kemnich wich aus. «Nicht viel und nichts von Bedeutung. Ichglaube, so wichtig ist sie auch nicht. Nita Kolter wird Ihnen bestimmt mehr erzählen können, wenn sie wieder daheim ist. Das wird in zwei oder drei Tagen der Fall sein, wenn ich Frau Kolter richtig verstanden habe. Und ich denke mir, wenn sie ihrer Tochter gut zuredet, erreicht sie garantiert mehr als ich.»
    «Sagen Sie mir das wenige.»
    Jürgen schürzte die Lippen und schüttelte den Kopf.
    Kemnich zögerte. «Na schön», sagte er endlich, «Blacky trägt einen Schlapphut. Ist das interessant für Sie? Einen schwarzen Schlapphut, der Rest ist auch schwarz. Sogar die Haare, kurz, strubbelig und pechschwarz. Deshalb wohl der Name. Ich denke, sie ist ein Gruftie. Frau Zardiss, hier laufen eine Menge solcher Figuren rum. Die haben ihren eigenen Kult und mit der Szene nicht viel zu
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