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Die Morde des Herrn ABC

Die Morde des Herrn ABC

Titel: Die Morde des Herrn ABC
Autoren: Agatha Christie
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Mich wählten Sie deshalb aus, weil ich erstens kein ganz Unbekannter bin und weil Sie zweitens genau wussten, dass ich diese Briefe unverzüglich der Polizei zeigen würde. Und außerdem genossen Sie, Ihrer insularen Einstellung entsprechend, den Gedanken, einen Ausländer aufs Glatteis zu führen. So schrieben Sie denn sehr raffiniert ‹Whitehorse› statt ‹Whitehaven› – ein Versehen, das durchaus möglich und natürlich schien. Nur Hastings war scharfsinnig genug, beschönigende Argumente beiseite zu schieben und klar zu erkennen, wo der Ursprung dieses Irrtums lag!
    Es ist ganz klar, dass dieser Brief verloren gehen sollte! Die Polizei sollte die Spur erst aufnehmen, wenn das Verbrechen bereits geschehen war. Der allabendliche Spaziergang Ihres Bruders verschaffte Ihnen die gewünschte Gelegenheit, und inzwischen war das öffentliche Entsetzen über die ABC-Morde bereits derart allgemein, dass niemand auch nur entfernt an Ihre Schuld dachte.
    Nach dem Ableben Ihres Bruders hatten Sie eigentlich den Zweck erreicht, um den es Ihnen ging. Sie hatten keine Lust, noch weiterzumorden. Andererseits hätte ein Aufhören dieser Verbrechen sehr leicht Verdacht erregen und möglicherweise die Wahrheit an den Tag bringen können.
    Ihr Sündenbock, Mr. Cust, hatte seine Rolle als unsichtbarer – weil unscheinbarer! – Anwesender so vollendet gespielt, dass bis dahin niemand bemerkt hatte, dass er an allen drei Tatorten aufgetaucht war! Zu Ihrer Verärgerung war nicht einmal sein Besuch in Combside erwähnt worden, weil Miss Grey diesen kleinen Zwischenfall einfach vergessen hatte. Tollkühn, wie immer, beschlossen Sie einen letzten Mord, einen, der Mr. Cust viel deutlicher belasten sollte als die bisherigen.
    Sie wählten Doncaster als Schauplatz aus.
    Ihr Plan war sehr einfach. Sie selber würden ohnehin am Tatort sein, und Mr. Cust wurde von seiner Firma dorthin geschickt. Nun mussten Sie sich lediglich darauf verlassen, Mr. Cust folgen zu können und dabei auf eine gute Gelegenheit zu stoßen. Sie hatten Glück. Mr. Cust besuchte ein Kino. Einfacher ging es wirklich nicht mehr! Sie setzten sich ein paar Sitze von ihm entfernt nieder. Als er sich erhob, um zu gehen, taten Sie dasselbe. Sie gaben vor, zu stolpern, lehnten sich vor und erstachen einen schlafenden Mann in der vorderen Sitzreihe. Dann schoben Sie einen ABC-Fahrplan unter seinen Sitz, stießen im Hinausgehen heftig mit Mr. Cust zusammen, wobei Sie das Messer an seinem Mantelärmel abwischten und dann geschickt in seine Tasche gleiten ließen.
    Sie brauchten sich nicht im Mindesten darum zu kümmern, ob Ihr letztes Opfer einen Namen mit D am Anfang hatte. Jetzt war Ihnen jedermann recht! Sie setzten voraus – und zwar sehr richtig –, dass man allgemein annehmen würde, es sei Ihnen ein Fehler unterlaufen. Und sicherlich würde irgendjemand, dessen Name mit D begann, in unmittelbarer Nähe des Ermordeten gesessen haben, worauf man selbstverständlich sagen würde, dass eigentlich dieser Mensch hätte ermordet werden sollen.
    Und nun, verehrte Anwesende, wollen wir die Morde vom Standpunkt des Mr. Cust aus betrachten… des falschen ABC, wenn ich so sagen darf.
    Der Mord in Andover berührt ihn überhaupt nicht. Der in Bexhill erstaunt und erschüttert ihn. Begreiflich – er war doch selber zu jenem Zeitpunkt dort gewesen! Dann wird das Verbrechen von Churston begangen und in allen Zeitungen in dicken Schlagzeilen veröffentlicht! Ein ABC-Mord in Andover, als er dort war, ein ABC-Mord in Bexhill, als er dort war, und nun ein neuer Mord unweit davon… Drei Morde, und er war immer am Schauplatz dieser Untaten! Menschen, die an Epilepsie leiden, haben manchmal Absenzen, Augenblicke, in denen sie sich nicht erinnern können, was sie getan haben… Bedenken Sie, dass Cust ein außergewöhnlich nervöser, neurotischer Typ ist und ungemein beeinflussbar.
    Da bekommt er den Auftrag, nach Doncaster zu fahren.
    Doncaster! Und das nächste ABC-Verbrechen soll in Doncaster stattfinden! Wahrscheinlich ist ihm dieses Zusammentreffen schicksalhaft vorgekommen. Er verliert die Nerven, bildet sich ein, seine Zimmerwirtin sehe ihn argwöhnisch an, und erzählt ihr, er fahre nach Cheltenham.
    Aber er fährt pflichtgemäß nach Doncaster. Am Nachmittag geht er in ein Kino. Vielleicht schläft er dort ein paar Minuten lang ein. Stellen Sie sich nun seine Gefühle vor, als er, in sein Gasthaus zurückgekehrt, bemerkt, dass Blut an seinem Mantelärmel klebt, dass er ein
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