Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Morde des Herrn ABC

Die Morde des Herrn ABC

Titel: Die Morde des Herrn ABC
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
unnachahmlich elegant aus.
    «Auf mein Wort, Poirot», sagte ich, «man könnte meinen, Sie bestellten ein Abendessen im ‹Ritz›!»
    «Und Verbrechen kann man nicht bestellen, meinen Sie? Sehr wahr.» Er seufzte. «Aber ich glaube an mein Glück, an das Schicksal, wenn Sie so wollen. Es ist mein Schicksal, dass Sie neben mir stehen und mich daran hindern, den unverzeihlichen Fehler zu begehen, das Einfache, Klare zu übersehen.»
    Obwohl ich über diese Erklärung sekundenlang nachdachte, konnte ich ihren Sinn nicht fassen.
    «Nun, und?», fragte ich lächelnd. «Ist dieses erhoffte Superverbrechen bereits geschehen?»
    «Non, pas encore… Es sei denn, dass…»
    Er brach plötzlich ab. Ein verblüfftes Hochziehen der Augenbrauen furchte seine Stirn. Geistesabwesend rückte er einige Gegenstände, die ich unabsichtlich verschoben hatte, an ihren Platz zurück.
    «Ich bin nicht sicher», sagte er dann langsam.
    Seine Stimme klang so eigentümlich, dass ich ihn erstaunt ansah. Noch immer war seine Stirn gerunzelt.
    Plötzlich nickte er entschlossen und durchquerte das Zimmer. Er trat an einen Schreibtisch, der so tadellos geordnet war, dass er aus all den Papieren und Broschüren auf den ersten Griff einen bestimmten Brief herauszog.
    Während er langsam zurückkam, las er ihn aufmerksam durch, dann reichte er ihn mir.
    «Sagen Sie mir, was Sie damit anfangen können.»
    Auf einem dicken Briefpapier stand in Blockschrift Folgendes:
     
    Monsieur Hercule Poirot – Sie lösen doch die heiklen Fälle, denen unsere schwerfällige englische Polizei nicht gewachsen ist, oder Sie brüsten sich jedenfalls damit, nicht wahr? Jetzt wollen wir doch einmal sehen, kluger Mr. Poirot, wie klug Sie sind! Vielleicht ist sogar Ihnen diese Nuss zu hart. Richten Sie Ihr Augenmerk auf Andover am 21. dieses Monats.
    Vorzügliche Hochachtung
    ABC
     
    Ich sah mir den Briefumschlag an. Auch der war mit Druckbuchstaben beschrieben.
    «London W. C. 1 aufgegeben», sagte Poirot, als ich mich anschickte, die Postmarke und den Stempel genauer zu betrachten. «Und, was halten Sie davon?»
    Ich zuckte die Achseln und gab ihm den Brief zurück.
    «Wahrscheinlich irgendein Verrückter.»
    «Mehr haben Sie mir nicht zu sagen?»
    «Nun, kommt Ihnen die Sache nicht auch verrückt vor?»
    «Doch, mein Freund, doch, das tut sie.»
    Er war ernst geworden. Ich sah ihn erstaunt an.
    «Ein Verrückter, mon ami, muss ernst genommen werden. Ein Verrückter ist etwas sehr Gefährliches.»
    «Ja, natürlich, das stimmt… Das hatte ich nicht bedacht. Aber ich meine: Klingt dieser Brief nicht eher wie der idiotische Scherz eines Menschen, der einen sitzen hatte?»
    «Comment? Einen – was – sitzen?»
    «Nichts! Das ist nur so eine Redensart… Einen sitzen haben, bedeutet: betrunken sein.»
    «Ach so. Danke, Hastings, für diese Bereicherung meines Wortschatzes!… Ja, es ist möglich, dass nicht mehr dahintersteckt als das.»
    «Aber Sie glauben nicht daran?» Ein Ton müder Resignation hatte mich aufhorchen lassen.
    Poirot schüttelte nur den Kopf, sagte aber nichts.
    «Was haben Sie unternommen?», fragte ich.
    «Was kann ich unternehmen? Ich habe Japp den Brief gezeigt, und er war derselben Ansicht wie Sie. Ein blöder Witz, so drückte er sich aus. In Scotland Yard erhalten sie täglich solche Botschaften. Ich bekam auch meinen Teil ab…»
    «Aber diese hier scheint Ihnen bedeutungsvoll zu sein?»
    «Dieser Brief hat irgendetwas, Hastings, was mir nicht gefallen will», antwortete er langsam.
    Er nahm den Brief wieder an sich und legte ihn auf den Schreibtisch zurück.
    Gegen meinen Willen berührte mich sein nachdenklicher Ton. «Können Sie denn nicht irgendwelche Schritte unternehmen, wenn Ihnen die Sache ernstlich fragwürdig vorkommt?»
    «Der Mann der Tat – wie eh und je! Aber was sollte ich denn tun? Die Distriktspolizei hat den Brief gesehen und nimmt ihn sowenig ernst wie Scotland Yard. Fingerabdrücke sind keine vorhanden. Ergo kann man den Schreiber unmöglich eruieren.»
    «Also lassen Sie sich tatsächlich nur durch Ihren Instinkt leiten?»
    «Nicht Instinkt, Hastings! Instinkt ist ein Wort, das ich hasse! Nein, mein Wissen, meine Erfahrung sagen mir, dass mit diesem Brief etwas nicht stimmt…»
    Er gestikulierte heftig, da ihm die Worte fehlten. Dann schüttelte er wieder den Kopf.
    «Vielleicht mache ich einen Berg aus einem Maulwurfshügel. Jedenfalls kann ich jetzt nur abwarten.»
    «Der Einundzwanzigste ist am Freitag. Wenn also
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher