Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Mondspielerin: Roman (German Edition)
Autoren: Nina George
Vom Netzwerk:
dreiundsiebzig Blumen lagen nun neben ihm, und er warf die allererste, eine trockene Rose, die wie Pergament zu zersplittern drohte, in den Aven.
    Als er den ersten aller Liebesbriefe, die er an Laurine geschrieben hatte, in den Fluss segeln ließ, flog ihm ein Schuh an den Kopf.
    »Das ist Diebstahl!«, rief Laurine. Sie stand nur wenige Meter von der Mole entfernt, neben ihr Padrig. Jeanremy fühlte unermessliche Eifersucht.
    »Das sind doch Briefe an mich, oder? Padrig hat sie mir gezeigt! Du hast sie mir nie gegeben!«
    Jetzt zog Laurine den zweiten hellen Turnschuh aus und warf ihn ebenso nach Jeanremy. Er duckte sich, und der Schuh traf Max an der Schwanzspitze. Fauchend sprang der Kater auf und trabte ein wenig zur Seite, wo er sich beleidigt hinsetzte und begann, sich zu putzen.
    »Aber sie gehören mir! Briefe gehören dem Adressaten!«
    »Erst wenn sie abgeschickt werden«, rief Jeanremy. »Und ich schicke sie eben erst ab!«
    »Oooooohh du … Dummfloh!« Laurine stampfte wütend auf.
    Und wieso mussten sie sich überhaupt schreiend unterhalten, und wieso zog Laurine ihre Schuhe aus? Jetzt zog sie sich auch noch das T-Shirt über den Kopf!
    Jeanremy stockte der Atem. Sie war so unendlich schön. Ihre Haut. Der Schwung der Taille. Ihr zarter Bauch. Ihre Hüften, die sich jetzt aus den Jeans pellten.
    »Was machst du da?«
    »Ich hole meinen Brief! Kein Wort soll von dir verlorengehen!«
    Laurine warf den BH von sich und zum Schluss auch noch das weiße Höschen. Ihr Schoß glitzerte golden, und sie hatte Tänzerinnenbeine; sie ist das schönste Mädchen der Welt, dachte Jeanremy, das mutigste, das edelste, das allerbeste.
    Und Laurine trat an den Quai, um den ersten aller Liebesbriefe zu retten.
    Sie hatte vergessen, dass sie einen Schritt auf Jeanremy zugehen wollte, nur einen – nein, sie war bereit für einen ganzen Sprung.
    Jeanremy stand auf und rannte auf Laurine zu.
    »Nein!«, schrie er. »Ich kann ihn auswendig!«
    Das Schiffchen hatte jetzt die Mitte des Flusses erreicht, es drehte sich immer rascher um sich selbst und wurde dann von der Strömung erfasst.
    In Laurines Augen standen Tränen.
    »Aber es war der erste, Jeanremy. Der erste ist der wichtigste.«
    Ich schreibe dir so viele, wie du willst, dachte er. Hunderte, Tausende, Jahr für Jahr, du wirst eine Bibliothek mit meinen Worten haben, und das Salz schmeiß ich aus der Küche, weil ich immer verliebt sein werde in dich, auch wenn wir schon Mann und Frau und Vater und Mutter und Großvater und Großmutter sein werden.
    Doch er sagte es nicht.
    Sie wollte diesen Brief? Sie würde diesen Brief bekommen. Jeanremy zog seine Schuhe aus, sein Hemd und sprang. Während er Zug um Zug schwamm und die Strömungen und Wirbel ihn packten und mit ihm rangen, fiel ihm jeder Satz ein, der in dem ersten Liebesbrief an Laurine gestanden hatte.
    Jeanremy schwamm, immer wieder hob er den Kopf, um das Schiffchen nicht aus den Augen zu verlieren. Seine Arme brannten, das Wasser wurde immer kälter und kälter, und er spürte kaum seine Zehen, doch er schwamm weiter, so schnell er konnte, und wenn er dem Schiffchen bis ins Meer hinaus folgen und darin untergehen müsste!
    Die Feen des Flusses schienen amüsiert zu sein über diesen Schwimmer, der seinen eigenen Worten nachjagte. Sie ließen das Papierschiffchen tanzen, schlugen ihm kleine Wellen entgegen, von denen Jeanremy husten musste, und trieben den Liebesbrief hin und her, als ob sie mit ihm Ball spielten.
    Jetzt schubsten sie ihn in einen Seitenarm des Aven, und Jeanremy, der spürte, wie seine Kräfte ihn baten, aufzugeben und sich einfach auf den Rücken zu legen und treiben zu lassen, setzte ihm mit Tränen der Wut und der Machtlosigkeit nach.
    Nimue, die Herrin der See, hatte ein Einsehen mit ihm und ließ den Brief auf Jeanremy zuschaukeln.
    Er hatte ihn!
    Jeanremy drehte sich zu Laurine um, die immer noch am Quai stand. Er war weit hinausgeschwommen. Jetzt musste er gegen die Strömung zurück. Als sich sein Atem beruhigt hatte, nahm Jeanremy den Brief zwischen die Zähne und begann, zurückzupaddeln.
    Als er die Leiter an der Hafenmauer von Kerdruc erklomm, nahm ihm Laurine erst den Brief aus dem Mund und beugte sich dann, nackt, wie sie war, zu dem atemlosen Jeanremy hinab.
    Sie nahm seinen Kopf in beide Hände, strich ihm die nassen, schwarzen Haare aus der Stirn, wärmte ihn überall, wo sie ihn berührte.
    »Jeanremy«, flüsterte Laurine.
    Und dann küsste sie ihn, zart berührten ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher