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Die Midlife-Boomer

Die Midlife-Boomer

Titel: Die Midlife-Boomer
Autoren: Margaret Heckel
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beschriebenen Forschungen zeigen. Schon jetzt verschieben neue Behandlungsmethoden und Prävention die Sterblichkeit im Alter immer weiter nach hinten.
    So hatten 75-jährige Männer im Zeitraum 1970/72 statistisch gesehen noch sieben weitere Lebensjahre 50 zu erwarten. Heute sind es elf. Bei Frauen hat sich die Zahl der weiteren Jahre von acht auf annähernd 13 erhöht.Diese Fortschritte in der Lebenserwartung werden weitergehen. Der renommierte Demografieforscher James Vaupel vom Rostocker Max-Planck-Institut für demografische Forschung hält ein Lebensalter von 120 Jahren für absehbar. »Es gibt kein erkennbares Limit«, sagt er 51 .
    Eine individuell in den Genen festgeschriebene, natürlich vorbestimmte Lebensspanne des Menschen scheine es nicht zu geben, sagt Vaupel. Zwillingsstudien zeigten zudem, »dass die Chance auf ein langes Leben nur zu etwa 25 Prozent durch die genetische Ausstattung eines Menschen beeinflusst ist«.
    Vaupel hält ebenso wie die Altersforscherin Carstensen den »Anstieg im Lebensstandard, eine bessere Ernährung, Fortschritte in der Medizin und in der Gesundheitsversorgung sowie soziale Errungenschaften, wie etwa der erhöhte Zugang der Menschen zu Bildung«, für »ausschlaggebend für den stetigen Anstieg in der Lebenserwartung in der Vergangenheit«. Auch der Rostocker Forscher zieht deshalb das klare Fazit: »Das Altern war und ist beeinflussbar. Die Menschen werden nicht nur immer älter, sondern immer gesünder älter.«
    Das aber, so Vaupel, sei »ein deutliches Indiz dafür, dass die Zahl gesunder Lebensjahre wächst. Und um es noch einmal so deutlich wie möglich zu sagen: »Die Lebenserwartung der Menschen nimmt also zu – nicht weil der Alterungsprozess sich insgesamt verlängert, sondern weil er immer später einsetzt.« 52
    Das hat weitreichende Auswirkungen, die noch nicht mal ansatzweise von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft durchdacht sind. Denn zum einen stützen diese Befunde die Forderung nach einem komplett neuen Lebenszyklusmodell: »Angesichts solcher Entwicklungen scheint es wenig sinnvoll, zu leben und zu arbeiten wie bisher: lange Ausbildungszeiten zu Beginn des Lebens, in der Mitte doppelte Belastung durch Familien und Beruf, ab Mitte 60 eine sich immer weiter verlängernde Phase ohne Arbeit«, schreibt Vaupel.
    Stattdessen empfiehlt er eine gleichmäßigere Verteilung der Arbeitszeit über alle Lebensstufen: Dann könnten Jüngere in der Familienphase weniger arbeiten und das später im Leben dann kompensieren.
    Zum anderen aber entschärft dieser Befund die angebliche Sprengkraft der demografischen Entwicklung für die Sozialsysteme. Wenn wir künftig länger arbeiten und das gesundheitlich auch gut können, lösen sich viele Probleme der umlagefinanzierten Rentenversicherung. Auch die Krankenkassen werden durch die Alterung nicht spürbar zusätzlich belastet, wenn sich die Phase der kranken Jahre nicht ausdehnt, sondern nur nach hinten in die Hochaltrigkeit verlagert (siehe Kapitel 10).
    Wir müssen deshalb unbedingt darüber nachdenken, ob die Indikatoren noch taugen, mit denen wir die Alterung statistisch erfassen und auf denen die derzeitigen politischen Entscheidungen aufgebaut sind.
    Eine der wichtigsten Quellen für Daten zur Alterung sind die Statistiken der Vereinten Nationen. Sie basieren »auf dem biologischen Lebensalter und deklarieren Menschen spätestens dann als Belastung für die Gesellschaft, wenn sie das 65. Lebensjahr und somit das Rentenalter erreicht haben«, schreiben die Gerontologen Sergei Scherbov und Warren Sanderson 53 . Dies drückt der Altersquotient aus, der die Zahl der über 65-Jährigen in Beziehung zu der Zahl der 15- bis 64-Jährigen setzt. Er nimmt in den Industrieländern aufgrund der Alterung und der sinkenden Geburtenquoten ständig zu und wird in aller Regel als wichtigster Beleg für das Negativ-Szenario der demografischen Entwicklung angegeben.
    Doch wenn die Grundthese nicht stimmt, dass ein über 65-Jähriger den Sozialsystemen auf der Tasche liegt, taugt auch der Indikator nichts. Sanderson und Scherbov haben deshalb einen Indikator entwickelt, »der die Anzahl der Personen aller Altersgruppen mit einer ferneren Lebenserwartung von 15 oder weniger Jahren in Relation zur Anzahl aller Personen, welche mindestens 20 Jahre alt sind und eine fernere Lebenserwartung von mehr als 15 Jahren aufweisen«, setzt.
    Das klingt kompliziert, ist aber sinnvoll: Die beiden Wissenschaftler gehen davon aus, dass
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