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Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Titel: Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis
Autoren: Robert Gordian
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Volkes so herabgesetzt, dass er sich kaum werde an der Macht halten können. Denn als Verbündeten so brutaler Eindringlinge werde man ihn nur noch verachten und irgendwann umbringen.
    Und welchen Rückschlag habe der Kampf um die Seelen erlitten! Avitus und alle anderen römisch-katholischen Bischöfe seien ja ungewollt mitschuldig an den Massakern und Zerstörungen. Der Mörder Gundobad aber sei der heimliche Sieger. Ihn als Streiter gegen den fränkischen Wüterich werde das Volk nun zurücksehnen, in Scharen würden ihm Kämpfer zulaufen. 
    Chlodwig wurde es immer lästiger, sich nur noch verteidigen zu müssen. Hundertmal schrie er, Brutalität sei nicht seine Sache, er habe aber nicht anders handeln können. Die Umstände hätten ihm alles vorgeschrieben.
    Eine uralte Kriegsregel sei es, Festungen, die man nicht gleich einnehmen könne, durch Aushungern sturmreif zu machen. Dazu sei es notwendig, den Verteidigern jede Möglichkeit zu nehmen, sich aus dem Umland zu versorgen. Er habe auch nur befohlen, dazu das unbedingt Nötige zu tun … doch wie hätte er eine entfesselte Kriegsmeute stoppen sollen, die noch dazu ständig aus Hinterhalten bekämpft wurde. Wäre Chlotildes Onkel Godegisel, höhnte er, nicht so feige, eitel und ruhmsüchtig, hätte er sich nicht feiern lassen, bevor sein feindlicher Bruder wirklich besiegt war, sondern mit den Franken weitergekämpft, würde ihm Gundobad jetzt keine Beschwerden verursachen. Nun müsse er eben selber sehen, wie er »mit der Eiterbeule an seinem Arsch«, der Festung Avignon, fertig werde!
    Doch nicht nur die Vorhaltungen der Königin, auch Selbstvorwürfe plagten Chlodwig. Er hatte sich tatsächlich zu sehr auf die Allmacht seines neuen Gottes verlassen und deshalb die militärischen Vorbereitungen des Unternehmens vernachlässigt.
    Von den nach der Schlacht bei Soissons übernommenen römischen Legionen gab es nur noch wenige Männer in seiner Palastgarde. Die Befehlshaber waren gefallen oder nicht mehr aktiv. So waren auch die Erfahrungen der römischen Kriegskunst im Heer der Franken kaum noch lebendig. Unter den fränkischen Anführern – dabei schloss er sich selbst nicht aus – war kaum einer imstande, eine gut befestigte Stadt erfolgreich zu belagern. Es gab nur noch wenige Geschützbauer und Konstrukteure von Belagerungsmaschinen. Er hatte versäumt, solche Spezialisten ausbilden zu lassen, die dann, wenn die Kriegslage es erforderte, an Ort und Stelle zum Einsatz kommen konnten.
    Dass er die Schlacht bei Dijon gewonnen hatte, verdankte er, darüber war sich Chlodwig im Klaren, nur dem Leichtsinn und der Überheblichkeit Gundobads, der sich trotz Minderzahl seiner Truppen einer Feldschlacht gestellt hatte. Hätte er sich gleich in Dijon belagern lassen, wäre der ganze Feldzug vielleicht schon im Frühjahr unter den Mauern dieser Festung gescheitert.
    Das größte Unbehagen bereitete Chlodwig allerdings der Gedanke, er könnte sein Heil verloren haben. In schlaflosen Nächten, dazu noch von Schmerzen geplagt, haderte er mit seinem Bekenntnis zum Gott der Christen, das ihm in Augenblicken des tiefsten Zweifels wie eine Selbstentmannung erschien.
    Eines Nachts, nachdem er sich lange gewälzt hatte, schrie er plötzlich auf und erhob sich vom Lager. Vergebens forschte Chlotilde, was er vorhatte, vergebens suchte sie ihn zurückzuhalten. Er kleidete sich hastig und nur notdürftig an und wankte, auf einen Stock gestützt, hinunter in die Mannschaftsquartiere.
    Dort schlug er Lärm und befahl einer Hundertschaft, ihm mit Fackeln zu folgen. Er ließ auch einige alte Männer wecken, die früher als Wodanspriester gedient hatten, und aus den Ställen ließ er die besten Pferde holen, darunter auch seinen Rufus.
    Mit Männern und Pferden zog er hinauf auf den ehemaligen Wodanshügel. Hier lagen noch Trümmer des niedergerissenen Tempels, daneben erhob sich der Holzbau einer kleinen Kirche.
    Mit weithin schallender Stimme rief der König, Wodan möge ihm alles verzeihen und das Opfer, das er ihm bringe, annehmen.
    Dann ließ er die Pferde niederstechen und heulte wie ein trauriger Wolf, als ihn die Alten mit dem Blut seines Rufus bespritzten. Den Rest der Nacht verbrachte er mit den Männern am Feuer, auf den Trümmern sitzend, altgermanische Schlachtengesänge grölend. Zwar waren alle getauft, doch keiner nahm daran Anstoß, und allen schmeckte der Opferbraten.
    Als der König am Morgen in den Palast zurückkehrte, herrschte dort helle Aufregung. Alles
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