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Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin

Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin

Titel: Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin
Autoren: Kai Meyer
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Chitin und Bösartigkeit hatten sich unaufhaltsam über die Kontinente gewälzt. Ihnen waren erst Ernten, dann Vieh und schließlich Menschen zum Opfer gefallen. Den Skarabäen waren die Mumienheere gefolgt, zigtausende, von den Hohepriestern des Pharaos aus ihren Gräbern gerissen und mit Waffen hinaus in die Schlacht gesandt, willenlos und unfähig, Schmerz zu empfinden.
    Der große Krieg hatte dreizehn Jahre gedauert, dann war sein Ausgang entschieden - als hätte daran je ein Zweifel bestanden. Das ägyptische Imperium hatte die Völker versklavt, und seine Armeen marschierten auf den Straßen aller Erdteile.
    Merle beugte sich tiefer hinter die Mähne des Steinlöwens, als könnte sie das vor der Gefahr schützen, die ihnen von unten, von der Oberfläche des Meeres, drohte.
    Die Rümpfe der Galeeren waren golden bemalt, denn aus Gold war auch die unzerstörbare Haut der ägyptischen Wüstengötter. Jede Galeere besaß drei Masten mit einer Vielzahl von Segeln. Aus den Flanken der Rümpfe stachen zwei Reihen langer Ruder.
    Im Heck jedes Schiffes befand sich ein hoher Aufbau mit einem Altar, auf dem die Hohepriester in ihren goldenen Roben Opfer darbrachten - Tiere, für gewöhnlich; aber auch Menschen, munkelten manche.
    Zwischen den Galeeren kreuzten kleine Dampfboote, die zur Aufklärung, Versorgung und Jagd eingesetzt wurden. Der Belagerungsring war etwa fünfhundert Meter breit und zog sich auf See in beiden Richtungen bis zur Küste. Dort setzten ihn diffuse Anordnungen von Kampfmaschinen und Fußarmeen fort, tausende und abertausende von Mumienkriegern, die willenlos auf das Signal zum Angriff warteten. Es war nur eine Frage von Tagen, ehe die endgültige Bestätigung bei den pharaonischen Befehlshabern eintreffen würde: Ohne die Fließende Königin harrte Venedig wehrlos seines Untergangs.
    Merle schloss verzweifelt die Augen, ehe Vermithrax’ Stimme sie abermals aus ihren Gedanken riss. »Sind das die Flugschiffe, von denen du gesprochen hast?« Er klang zu gleichen Teilen verwirrt und fasziniert.
    »Sonnenbarken«, bestätigte Merle verkniffen und blickte über die flatternde Mähne nach vorn. »Glaubst du, sie haben uns entdeckt?«
    »Sieht nicht danach aus.«
    Ein halbes Dutzend schlanker Gebilde kreuzte in einiger Entfernung vor ihnen. Vermithrax flog höher als sie; mit ein wenig Glück würden sie die Barken passieren, ohne dass deren Kapitäne sie bemerkten.
    Die Sonnenbarken des Imperiums glänzten golden wie die Galeeren, und da sie dem Himmel näher waren als die mächtigen Schlachtschiffe auf See, war das Gleißen ihrer Rümpfe um ein Vielfaches leuchtender. Sie waren dreimal so lang wie eine venezianische Gondel, überdacht und rundum mit schmalen, waagerechten Fensterschlitzen versehen. Wie viele Männer sich dahinter aufhielten, war von außen nicht zu erkennen. Merle schätzte, dass eine Barke höchstens Platz für zehn Personen barg: einen Kapitän, acht Besatzungsmitglieder und den Priester, dessen Magie sie in der Luft hielt. Bei Sonnenschein waren die schlanken Flugschiffe blitzschnell und federleicht zu manövrieren. War der Himmel bewölkt, verlangsamte sich ihre Geschwindigkeit, und ihre Bewegungen wurden plump. Bei Nacht schließlich waren sie nahezu unbrauchbar.
    An diesem Vormittag aber schien die Morgensonne strahlend hell vom Himmel. Die Barken glitzerten wie Raubtieraugen vor dem verschwommenen Hintergrund aus Wasser und Land.
    »Wir sind jeden Moment über ihnen«, sagte Vermithrax.
    Merles Atemzüge wurden schneller. Der Obsidianlöwe hatte Recht behalten: Die Luft hier oben war dünn und verursachte ihr Schmerzen in der Brust. Doch sie sprach es nicht laut aus, war nur dankbar, dass Vermithrax’ Kräfte ausreichten, sie so hoch hinauf und über die Ägypter hinwegzutragen.
    »Gleich haben wir es geschafft«, sagte die Fließende Königin. Sie klang angespannt.
    Die Sonnenbarken waren jetzt genau unter ihnen, blitzende Klingen, die in weiten Bögen um die Lagune schwebten. Niemand an Bord rechnete mit der Flucht eines einzelnen Löwen. Die Kapitäne konzentrierten ihre Aufmerksamkeit auf die Stadt, nicht auf den Luftraum über ihren Köpfen.
    Vermithrax sank wieder tiefer. Merle spürte dankbar, wie sich ihre Lungen rascher mit Luft füllten. Ihr Blick aber hing nach wie vor wie gebannt an den Barken, die immer schneller hinter ihnen zurückblieben.
    »Kann man uns von den Galeeren aus sehen?«, fragte sie heiser. Niemand gab ihr eine Antwort.
    Dann hatten sie auch den
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