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Die Melodie des Todes (German Edition)

Die Melodie des Todes (German Edition)

Titel: Die Melodie des Todes (German Edition)
Autoren: Jørgen Brekke
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reichte.
    »Ich habe es in der Kiste mit den Fundsachen liegen sehen, Ihr Name ist mir aufgefallen. Da dachte ich, nehme ich es doch mal mit. Wahrscheinlich haben Sie es liegen gelassen, als Sie mit uns gesprochen haben. Außerdem würde ich Ihnen gern danken. Sie haben Julie gerettet.«
    Singsaker spürte einen Anflug von schlechtem Gewissen.
    Wir hätten ihn früher kriegen müssen, dachte er, und das war mein Fehler.
    »Wie geht es ihr?«, fragte er.
    »Nicht so gut«, antwortete Fredrik. »Sie ist froh, wieder frei zu sein, klar. Aber sie sagt, dass sie nachts nicht schlafen kann.«
    »Und das Kind?«
    »Das wissen wir noch nicht«, sagte Fredrik. »Sie will nicht darüber reden. Sagt, dass sie erst nachdenken muss.«
    »Grüß sie von mir«, sagte Singsaker. »Und pass gut auf sie auf.«
    Fredrik Alm nickte, drehte sich um und ging auf die Tür zu.
    »Und Fredrik«, sagte Singsaker, ehe er durch die Tür war, »danke für das Notizbuch. Ich habe es wirklich vermisst.«
    Er blieb liegen und blätterte darin herum, nachdem Fredrik Alm gegangen war. Der Junge tat ihm leid. Wie sollte er Julie Edvardsen das geben, was sie jetzt brauchte? Konnte ihr das überhaupt jemand geben? Und dann war da noch das Kind. Es mussten schwere Entscheidungen getroffen werden, auf die Fredrik wenig Einfluss hatte. Wie auch immer es ausging, würde der Junge es nicht leicht haben. Er war viel zu jung, um Vater zu werden, aber war er alt genug, um ein Kind zu verlieren?
    Er blätterte weiter durch das Notizbuch. Die letzten Seiten bestanden aus den Aufzeichnungen zu den Gesprächen, die er in der Schule geführt hatte. Er quälte sich selbst mit der präzisen Wegbeschreibung zu dem Haus, vor dem Julie mit einem Mann gesprochen hatte, der in seiner Einfahrt Schnee geräumt hatte. Es war das Haus, in dem Jonas Røed Silje Rolfsen und Julie Edvardsen gefangen gehalten hatte. Wieder redete er sich selbst ein, dass es damals keinen Anlass gab, diesen Mann besonders unter die Lupe zu nehmen. Es war nicht mehr als ein einfacher Hinweis gewesen, eine Information, der man nachgehen konnte, wenn man dafür Zeit fand. Nur dass das eben keiner getan hatte. Weil er es vergessen hatte. Und dieser Fehler ging auf seine Kappe.
    Zum Schluss blätterte er eine Seite zurück, bis zu der Stelle, an der er zuletzt etwas über Felicia und sich selbst geschrieben hatte, am Abend, bevor die Lawine ins Rollen gekommen war. Seinem Gefühl nach war es eine Ewigkeit her oder auch bloß ein sehr glücklicher Traum. Sie hatten gegessen und miteinander geschlafen, gleich zwei Mal. Vielleicht war es das letzte Mal gewesen, dass er das schaffte. In seinem Alter war das schon fast eine physiologische Unmöglichkeit.
    Er lachte zynisch und legte den Kopf auf das Kissen.
    Es verging ein Tag und dann noch einer. Felicia tauchte nicht auf. Zu guter Letzt verstand er, dass sie das auch nicht mehr tun würde. Mehrmals hatte er das Handy in die Hand genommen, um ihren Vater in Virginia anzurufen. Getan hatte er es aber nie. Er war nicht bereit dafür, bestätigt zu bekommen, was er so sehr fürchtete und eigentlich längst wusste. Fühlte sich nicht stark genug, um diese Wahrheit zu ertragen.
    Am letzten Tag in der Klinik kam Dr. Nordraak überraschend vorbei, um Singsaker mitzuteilen, dass er seinen Termin nicht wahrgenommen habe, was in Anbetracht der Umstände natürlich durchaus verständlich war. Sie machten einen neuen Termin aus, und als Nordraak sich verabschiedete, entschied Singsaker sich, ihn etwas zu fragen.
    »Sie haben den Fall doch sicher in den Zeitungen verfolgt, nicht wahr?«
    »Ja, wer nicht?«
    »Wie lautet Ihre professionelle Meinung als Psychiater? Was geht im Kopf eines Täters wie Røed vor?«
    Nordraak blieb stehen und sah ihn an, während er den Schlips unter seinem Kittel zurechtzog. Das Muster mit den blauen Elefanten stand ihm überraschend gut.
    »Meine professionelle Meinung?«, begann er zögernd. »Die unterscheidet sich vermutlich wenig von der, die in allen Zeitungen stand und zu der Sie als erfahrener Polizist vermutlich selbst kommen können. Røed litt aller Wahrscheinlichkeit nach an einer ernsten Persönlichkeitsstörung. Das ist ein mehr oder weniger konstanter, und wie viele meinen, unheilbarer geistiger Defekt. Wir haben es dabei mit fehlender Empathie zu tun, einem unbändigen Machtgefühl, völliger Maßlosigkeit und einem Mangel an Impulskontrolle. Das scheint aber noch nicht alles zu sein. Auf mich wirkt es darüber hinaus so, als
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