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Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Titel: Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
Autoren: Adaobi Tricia Nwaubani
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sechsten Sinn eingerichtet, damit schlichte Gemüter wie ich sie erkennen konnten und weil sie wusste, dass der Mensch diesen Sinn eines Tages zur Selbsterhaltung brauchen würde.
    Schließlich lockte der Lärm den Bibliotheksaufseher aus seinem Kabäuschen. Mit Gewittermiene schritt er zum Tisch der Mädchen.
    » Oya , alle am Tisch aufstehen und raus hier!«, befahl er so laut, dass alle merken konnten, hier redete einer, der Macht innehatte und sie richtig auszuüben verstand.
    »Müssen Sie so schreien?«, fragte eines der Mädchen.
    »Die Sachen einpacken und raus, habe ich gesagt!«
    »Sie sollten sich lieber freuen, dass wir hier sind«, zischte ein anderes Mädchen. »Wenn wir nicht hier wären, hätten Sie den ganzen Tag nichts zu tun.«
    Sie lachten weiter, während sie ihre Bücher und niedlichen Handtäschchen zusammensuchten. Ich starrte Ola nach, als sie alle kichernd zum Ausgang gingen. Ihr Anblick war von hinten war genauso zufriedenstellend wie von vorne.
    Am Tag darauf kam Ola wieder, diesmal allein. Mein Herz schlug zwei Purzelbäume, als sie eintrat. Sie nahm ungefähr fünf Tische von mir entfernt Platz und breitete ihre Bücher aus. In meinem Turbohirn fielen die Schaltungen aus. Die Worte auf der Seite vor mir begannen sich zu winden wie verzauberte Schlangen. Mir fiel plötzlich ein, dass ich dringend einen Haarschnitt brauchte. Und dass mein weißes Hemd nicht gestärkt war. Ola lernte eine volle Stunde lang, bevor sie aufstand und ging.
    Sie kam auch am nächsten Tag wieder und dem nächsten und dem übernächsten. Ich staunte darüber, wie ein so hübsches Mädchen so viel Zeit zum Lernen fand. Und anderen Bibliotheksbenutzern schien dieser neue Shootingstar ebenfalls aufgefallen zu sein.
    »Hallo«, sagte der Mann, dessen Brillengläser so dick waren wie der Boden einer Coca-Cola -Flasche.
    »Hallo«, grüßte auch der Mann, der nur knapp über vier Fuß groß war.
    »Hallo«, fiel der Mann ein, der jeden Tag dieselbe violette Hose trug.
    Immer lächelte Ola und winkte ihnen zu. Sie in der Bibliothek zu haben war eine so unglaublich schöne Abwechslung nach all den langweiligen Mädchen, die sonst dort lernten.
    Eines Tages bemerkten auch meine Mitbewohner, dass mit mir etwas vorging. Ich hatte auf dem Heimweg im Geschäft des Studentenheims haltgemacht und beträchtliche Zeit damit zugebracht, einen Duft auszusuchen, der bezahlbar war und eine herbmännliche Note besaß. Als ich mich am nächsten Morgen für die Uni fertig machte, besprühte ich mich damit großzügig von Kopf bis Fuß.
    »Graveyard, was ist denn mit dir los?«, fragte mein Zimmergenosse Enyi.
    Den Spitznamen verdankte ich einem anderen Zimmergenossen, dem es nicht gefiel, dass ich so schweigsam war, wenn ich mich in ein Buch vertiefte, also eigentlich immer. Wenn mir nicht danach war, reagierte ich nicht auf den Namen. Aber heute war ich wohlgestimmt.
    »Wieso?«, fragte ich.
    »Mein Gott. Noch nie, nie habe ich gesehen, dass du dich mit Parfüm besprühst. Noch nie.« Er machte die anderen auf mich aufmerksam, die ebenfalls dabei waren, sich für die Uni fertig zu machen. »Kommt her gucken, Jungs – o – Graveyard fängt auf einmal an Parfüm zu benutzen.«
    Der Erfinder des Spitznamens reckte die Nase in die Luft und atmete übertrieben tief ein.
    »Das nennst du Parfüm?«, fragte er. »Das stinkt eher wie Insektengift.«
    Ich ließ sie lachen und machte mich munteren Schrittes auf den Weg ins Institut. Ihr Hohn und Spott konnte den ekstatischen Trommelschlägen meines Herzens nicht das Geringste anhaben.
    An dem Tag tauchte Ola nicht in der Bibliothek auf.
    Erst eine Woche später sah ich sie wieder. Als ich durch den Hauptflur des Instituts lief, stand sie mit einer Gruppe Mädchen zusammen und schwatzte. Meine Füße blieben bei ihr stehen. Die Mädchen verstummten und wandten sich mir zu. Mein Kehlkopf wurde zu Stein.
    »Ist alles okay?«, fragte Ola mit einem mitfühlenden Gesichtsausdruck.
    Meine Antwort war Schweigen.
    »Kann ich dir irgendwie helfen?«
    Ihre Stimme war eine wunderschöne Blume. Allein indem ich ihr zuhörte, hätte ich mehrere Kantaten komponieren und Epen ohne Ende dichten können.
    »Nein, es ist alles okay«, brachte ich schließlich heraus.
    »Ich wollte nur fragen, … ich habe dich länger nicht in der Bibliothek gesehen.«
    Sie lächelte. Was für eine Vorstellung, dass sie dieses Lächeln eigens für mich auf ihre Miene gezaubert hatte!
    »Oh, jetzt ist alles wieder gut. Ich hatte
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