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Die Mechanik des Herzens: Roman (German Edition)

Die Mechanik des Herzens: Roman (German Edition)

Titel: Die Mechanik des Herzens: Roman (German Edition)
Autoren: Mathias Malzieu
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hochexplosive Mischung. Normalerweise bin ich erst überglücklich und dann tieftraurig, auf Sonnenschein folgt Regen, doch diesmal zucken Blitze aus einem strahlend blauen Himmel.
    »Lass mich zuerst«, murmelt Miss Acacia und macht sich von mir los. »Ich kann dich nicht mehr treffen. Ich weiß, dass wir seit ein paar Monaten umeinander herumschwirren, aber ich bin in jemand anderen verliebt, und zwar schon seit Langem. Etwas Neues anzufangen wäre sinnlos, es tut mir leid. Ich liebe jemand anderen …«
    »Joe …«
    »Ach nein, nicht Joe. Nein, ich spreche von meinem früheren Freund, an den du mich manchmal erinnerst. Jack. Ich liebe ihn immer noch.«
    Der kosmische Urknall vertauscht die Pole meiner emotionalen Verkabelung. Ohne Vorwarnung steigen mir Tränen in die Augen und laufen mir über die Wangen.
    »Es tut mir leid, ich will dir nicht wehtun, aber ich habe schon einmal jemanden geheiratet, den ich nicht liebe. Noch mal möchte ich diesen Fehler nicht machen«, sagt sie und umschlingt mich mit ihren dünnen Vogelärmchen.
    An meinen Wimpern schillern Regenbogen. Ich nehme all meinen Mut zusammen und strecke ihr den Karton mit der Kuckucksuhr hin.
    »Ich kann das nicht annehmen. Ich will kein Geschenk von dir. Es tut mir wirklich leid. Mach die Sache nicht noch schwerer.«
    »Öffne es trotzdem, es ist ein ganz persönliches Geschenk. Außer dir kann niemand etwas damit anfangen.«
    Sie nickt mit sichtlichem Widerstreben. Ihre hübschen Finger mit den sorgfältig lackierten Nägeln zerreißen das Papier. Sie setzt ein gezwungenes Lächeln auf. Es ist ein erhabener Moment. Wer kann schon von sich behaupten, dass er der Liebe seines Lebens im wahrsten Sinne des Worts sein Herz geschenkt hätte?
    Miss Acacia schüttelt vorsichtig den Karton.
    »Ist es zerbrechlich?«
    »Allerdings!«
    Ihr Unbehagen ist greifbar. Vorsichtig öffnet sie den Deckel. Sie greift in den Karton und nimmt mein altes Herz heraus. Erst kommt das Dach der Kuckucksuhr zum Vorschein, dann das Zifferblatt mit den zusammengeflickten Zeigern.
    Miss Acacia betrachtet die Uhr. Sprachlos. Sie wühlt fahrig in ihrer Handtasche, zieht eine Brille hervor und setzt sie sich ungelenk auf die schmale Nase. Ihre Augen mustern jedes Detail. Miss Acacia dreht die Zeiger erst im Uhrzeigersinn, dann gegen den Uhrzeigersinn. Ihre Brillengläser beschlagen von innen. Langsam schüttelt sie den Kopf. Ihre Hände zittern. Sie sind direkt mit meinem Brustkorb verbunden. Mein Körper registriert jede noch so kleine Erschütterung. Er beginnt seinerseits zu beben. Miss Acacia berührt mich nicht. Das Ticken meiner beiden Uhren hallt in mir wider. Das Zittern wird stärker.
    Miss Acacia legt mein Herz behutsam auf dem Mäuerchen ab, vor dem wir uns so oft geküsst haben. Dann hebt sie den Kopf und sieht mich an. Ihre Lippen öffnen sich leicht, sie flüstert: »Jeden Tag bin ich hingegangen, jeden verdammten Tag. Seit drei Jahren bringe ich Blumen zu deinem Grab. Seit deiner Beerdigung. Noch heute Morgen war ich dort. Aber es war das letzte Mal! Du bist für mich gestorben! Endgültig!«
    Mein altes Herz liegt reglos auf dem Mäuerchen, die Zeiger weisen traurig nach unten. Miss Acacias Blick geht durch mich hindurch. Ich bin tatsächlich für sie gestorben. Wie ein trauriger Vogel setzt sich ihr Blick langsam auf den Karton und fliegt dann schnell hoch zum Himmel, dessen Pforten mir von jetzt an verschlossen sind.
    Ihre Schritte entfernen sich. Ihre Silhouette ist nur noch zehn Zentimeter groß. Neun Zentimeter, acht, sieben, sechs, ein Geist von der Größe einer Streichholzschachtel. Fünf, vier, drei, zwei …
    Ich werde sie nie wiedersehen.

Epilog,,
    oktor Madeleines Kuckucksuhr setzte ihre Reise außerhalb des Körpers unseres Helden fort, wenn wir ihn überhaupt so nennen dürfen.
    Brigitte Heim bemerkte ihre Anwesenheit als Erste. Oben auf der Mauer thronend sah die Uhr aus wie ein Spielzeug aus dem Jenseits. Die schreckliche Brigitte beschloss, sie in ihr Gruselkabinett aufzunehmen. So leistete das Uhrenherz für eine Weile zwei verstaubten Totenschädeln in der Geisterbahn Gesellschaft.
    Als Joe die Uhr eines Tages sah und wiedererkannte, gelang es ihm nicht mehr, die Besucher zu erschrecken. Deshalb beschloss er eines Nachts nach der Arbeit, sich ihrer zu entledigen. Mit der Uhr unterm Arm schlug er den Weg zum Friedhof San Felipe ein, ob aus Respekt für seinen einstigen Widersacher oder aus Aberglauben werden wir wohl nie erfahren. Jedenfalls legte
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