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Die McDermotts 01 - Niemals

Die McDermotts 01 - Niemals

Titel: Die McDermotts 01 - Niemals
Autoren: Marina Schuster
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und ging nach draußen.
    Wie erwartet saß Callan auf der Treppe, nackt, in der Hand eine Zigarette. Die Augen hatte er abwesend auf die Felder in der Ferne gerichtet, die im Licht der aufgehenden Sonne und des Frühnebels geheimnisvoll und fremdartig aussahen.
    »Hey«, lächelte sie, »bist du schon wach oder immer noch?«
    »Immer noch«, gab er ehrlich zu, »ich konnte nicht schlafen.«
    Sie setzte sich zu ihm, hüllte ihn mit in die Decke ein und kuschelte sich an ihn. »Es ist schön hier oben«, sagte sie verträumt, »wie in einer ganz eigenen Welt.«
    »Du bist die erste Frau, die ich mit hierher genommen habe.«
    »Notgedrungen«, schmunzelte sie, »weil du mich ja unbedingt nackt beobachten musstest.«
    Er seufzte. »Geht das schon wieder los, Sprosse? Wenn du nicht damit aufhörst, bringe ich dich nach drinnen und zeige dir, wie es ist, wenn ich dich wirklich nackt beobachte.« Dann wurde er wieder ernst. »Ich habe mich als Kind sehr oft hier verkrochen, da gab es allerdings die Hütte noch nicht, die habe ich mir später gebaut. Ich bin immer hierher gegangen, wenn ich es zu Hause nicht mehr ausgehalten habe.«
    Joyce wusste, dass es bei den McDermotts oft Ärger und Geschrei gegeben hatte, sie hatte es selbst ab und zu mitbekommen, wenn sie Lauren besuchte. Mitfühlend streichelte sie über sein Bein. »War es so schlimm?«
    »Schlimmer.« Callans Stimme klang rau. »Du hast keine Vorstellung davon, wie es bei uns zuging. Mein Vater hat getrunken, ich kann mich kaum entsinnen, dass er je nüchtern gewesen wäre. Wenn er so richtig in Fahrt war, hat er meistens meine Mutter verprügelt, und wenn wir uns nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht haben, hat es uns auch erwischt. Der Einzige, der nichts abbekommen hat, war Adrian.«
    Er schwieg einen Moment, fuhr dann fort: »Ich weiß nicht, ob die Trinkerei meines Vaters der Grund war, dass meine Mutter ihn betrogen hat, oder ob er getrunken hat, weil sie fremdgegangen ist. Auf jeden Fall konnte er ihr nicht verzeihen, dass keines von uns Kindern, außer Adrian, von ihm war, und so hat er sie irgendwann rausgeworfen, nachdem er sie wieder einmal windelweich geschlagen hatte.«
    »Du … dein Vater ist gar nicht dein Vater?«, fragte sie überrascht.
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Schau uns doch mal an, ist dir noch nie aufgefallen, dass wir uns überhaupt nicht ähnlich sehen? Jordan ist braunhaarig und hat braune Augen, Lauren ist hellblond wie unsere Mutter, Adrian beinahe schwarzhaarig und hat graue Augen wie sein Vater. Ich bin dunkelblond und blauäugig – vermutlich bin ich nach dem Milchmann oder dem Briefträger geraten.« Er bemühte sich um einen scherzhaften Ton, die Bitterkeit in seiner Stimme war jedoch unüberhörbar.
    »Aber manchmal kommen Gene von den Großeltern oder Urgroßeltern durch«, gab Joyce zu bedenken, »Haar- oder Augenfarben haben gar nicht viel zu sagen.«
    »Es war ein offenes Geheimnis in Stillwell, dass meine Mutter es mit der Treue nicht so genau nahm. So hat sich auch niemand darüber gewundert, dass unser Vater sie irgendwann auf die Straße gesetzt hat.«
    »Denkst du deswegen, dass du nicht gut genug für mich bist?«
    Er küsste sie auf die Wange, legte seinen Kopf auf ihre Schulter und sagte: »Ich bin nicht gut genug für dich, weil ich total verkorkst bin, das sind wir McDermotts irgendwie alle. Unsere Mutter war eine Schlampe, unser Vater ist ein Säufer, Adrian ist geschieden, Lauren hat ein uneheliches Kind und was mit mir los ist, weißt du. Ich glaube, Jordan ist der Einzige von uns, der halbwegs normal ist.«
    »Deswegen ist Lauren mir aus dem Weg gegangen«, murmelte Joyce nachdenklich.
    Callan nickte. »Ja, vermutlich hatte sie Angst, dass du es erfährst, sie schämt sich dafür und redet nicht gerne darüber. – Jetzt begreifst du vielleicht, weshalb ich lieber allein bleiben will. Das alles sind keine guten Voraussetzungen, um eine Beziehung zu führen, ganz zu schweigen von einer Ehe oder Kindern.«
    »Ich kann verstehen, dass du unter diesen Dingen leidest«, sagte sie leise, »aber das macht dich nicht zu einem schlechten Menschen.«
    »Doch, Sprosse, das tut es. Es gibt noch etwas, was du wissen solltest. Ich …«, er schluckte kurz, »ich bin daran schuld, dass Adrians Ehe in die Brüche gegangen ist. Er und Florence waren noch nicht lange verheiratet, als sie eines Abends zu mir kam. Sie hatten sich gestritten, und sie hat eigentlich nur eine Schulter gesucht, an der sie sich ausweinen
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