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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin
Autoren: Lea Korte
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wischte sich ein feines Rinnsal Blut unter der Nase weg.
    Gebannt sah Zahra zwischen ihrem Vater und ihrem Halbbruder hin und her. Yazid warf Raschid einen hasserfüllten Blick zu, sprang von seinem Platz auf und rannte davon.
     
    Die Stimmung während des Essens blieb gedrückt, so dass sich die meisten nach dem Dessert in ihre Räume zurückzogen. Einzig Zahra und Deborah blieben im Patio und ließen sich am Springbrunnen nieder, um endlich ungestört miteinander reden zu können. Doch kaum hatten sie die ersten Sätze gewechselt, kam Tamu und erklärte Zahra, dass ihr Vater sie in seinem Arbeitszimmer zu sehen wünsche.
    Zahra stöhnte auf. »Beim Allmächtigen, die Vorfälle im Palast – eigentlich hatte ich gehofft, dass Vater von Yazid schon genug erfahren hat.«
    »Ich glaube nicht, dass er Euch deswegen zu sich ruft«, erwiderte Tamu. »Auch nach Hayat hat er schicken lassen.«
    Zahra hob erstaunt die Augenbrauen.
    »Jetzt geht schon; Ihr wisst, wie ungern Euer Vater wartet!«
    Zahra erhob sich, aber ehe sie sich auf den Weg machte, fragte sie Deborah noch, wie lange sie bleiben würde.
    »Keine Sorge, meine Eltern erwarten mich nicht vor morgen zurück. Wir werden also die ganze Nacht zum Reden haben. Tamu hat meine Sachen in dein Zimmer gebracht!«
    »Na, das ist doch wenigstens mal eine gute Nachricht«, freute sich Zahra und gab endlich Tamus Drängen nach.
     
    Mit gebeugtem Rücken und über den Knien verschränkten Armen saß Abdarrahman auf dem Diwan, der seinem Schreibtisch gegenüberstand. Zu seinen Füßen lagen Sitzkissen, auf einem hatte Hayat bereits Platz genommen, ein anderes wies er Zahra mit einer bloßen Kinnbewegung zu. Bevor er zu reden begann, sah er seine beiden ältesten Töchter nachdenklich an.
    »Ich denke, dir, Zahra, ist ebenso klar wie Hayat, dass dieser Krieg, wenn er tatsächlich über uns kommt, nur Unglück über uns bringen kann«, ergriff er schließlich das Wort. »Ihr wisst, dass ich mich nicht gern von den Ereignissen überraschen lasse, sondern lieber beizeiten plane und handele. Aus diesem Grund möchte ich, dass du, Hayat, möglichst bald zu deinem Mann nach Fès zurückkehrst, um dich hier keiner unnötigen Gefahr auszusetzen, und dass du, Zahra, deinen Mann nicht im übernächsten, sondern bereits im nächsten Frühjahr heiratest.«
    »Vater, ich bitte Euch, jedes Jahr, das Ihr mir mit ihm erspart, ist eines mehr, in dem ich leben kann!«, begehrte Zahra auf. »Kamal ist dermaßen langweilig …«
    »Was fällt dir ein, so respektlos von deinem zukünftigen Mann zu reden?«, fiel Abdarrahman ihr ins Wort. »Außerdem ist Kamal keineswegs langweilig, sondern trotz seiner jungen Jahre bereits ein angesehener Gelehrter, und du solltest froh sein, dass wir für dich nicht nur einen wohlhabenden, sondern überdies auch einen gebildeten Mann gewählt haben! Im Übrigen hast du Kamal erst ein einziges Mal und das nur für einen kurzen Moment gesehen. Wie kannst du dir da ein Urteil erlauben?«
    Zahra blies die Backen auf. Ich weiß eben, was ich weiß, sollte das heißen, es auszusprechen wagte sie allerdings nicht. Sie wusste nicht, wie viel Geduld ihr Vater noch aufbringen würde, nachdem Yazid ihn schon so erzürnt hatte. Alles hätte sie darum gegeben, ihren Vater von seiner Wahl abzubringen, doch sie wusste, dass es ihr nicht zustand, ihn zu kritisieren. Aber wenn er die Hochzeit wenigstens noch ein wenig hinausgeschoben hätte …
    »Gerade heute habe ich einen Brief von Kamal erhalten«, fuhr ihr Vater fort. »Er wird im nächsten Jahr an der Medresse von Fès lehren und schon bald dorthin übersiedeln. Ich dachte, ihr würdet euch freuen, dass ihr euch in Fès also regelmäßig sehen könnt.«
    Zahra und Hayat tauschten einen Blick. Zahra erkannte, dass ihre Halbschwester von den Plänen ihres Vaters nicht weniger erschüttert war als sie – und sie wusste auch, warum: Hayat hasste ihr Leben in Fès. Sie mochte ihren Mann nicht, und auch er hatte nicht viel für sie übrig – aber dafür umso mehr für seine zweite Frau. Seit er diese geheiratet hatte, fühlte sich Hayat in Fès wie ein Gast im eigenen Haus und hatte vor Heimweh schon so manche Nacht durchgeweint. Da ihr Mann und sie einander meist aus dem Weg gingen, war sie, im Gegensatz zu seiner zweiten Frau, bislang auch noch nicht schwanger geworden, was ihre Stellung im Haus weiter untergrub, galt Mutterschaft doch als die wichtigste Aufgabe der muslimischen Frau. Da Leonor im Winter schwer erkrankt
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