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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus
Autoren: Ralf Isau
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Einheit bei den 15. Leichten Dragonern eingetreten ist.«
    »Sagt man das?« Arian traute dem leutseligen Gerede nicht. Wahrscheinlich wollte ihn dieser Wichtigtuer nur aushorchen, um sich Geschäftsgeheimnisse des Sergeant Major zu erschleichen. Vielleicht ließ er sich ja mit ein paar Banalitäten abspeisen. Arian setzte sein starres Theaterlächeln auf. »Nun, zweifellos sind Sie auch darüber im Bilde, dass Sergeant Major Astley bereits einundfünfzig ist, Mister M. Da kämpft er nicht mehr auf dem Schlachtfeld. Höchstens als Berichterstatter schnuppert er ab und zu den Pulverrauch. Doch er tut viel zur Hebung der Kampfmoral im Regiment und man schätzt sein Wissen über Pferde. Zurzeit hält er sich in London auf. Wenn Sie also etwas von ihm wollen, dann fragen Sie im Theater nach ihm. Oder vereinbaren Sie in Hercules Hall einen Termin mit seinem Sekretär.«
    »Eigentlich bin ich gekommen, um Sie zu treffen.«
    »Mich?« Arian musterte Mister M. argwöhnisch. »Stecken die beiden Charlys dahinter?«
    »Wer?«
    »Charles Hughes und Charles Dibdin. Die Konkurrenz. Versuchen Sie mich abzuwerben?«
    Mister M. lachte, was gleichwohl mehr nach einem Husten klang. »Ich kenne diese Gentlemen nicht einmal, Master… Wie lautet übrigens Ihr richtiger Name?«
    »Astley. Michael Astley.«
    »Sie sind trotz Ihrer Jugend ganz schön auf Zack. Ich meinte eigentlich, wie Sie früher hießen.«
    »Das ist zu persönlich, um es einem Fremden zu erzählen.«
    »Man sagt, Sie seien ein meisterhafter Kunstreiter.«
    »John ist viel besser als ich.«
    »Als Seiltänzer haben Sie mir jedenfalls gefallen. Sie sollen sich auch auf allerlei Hokuspokus verstehen.«
    »Nur Taschenspielertricks. Ich benutze sie manchmal bei meinen Auftritten.«
    »Mit der Puppe?« Mister M. deutete auf Eibo. »Stimmt es, dass Sie jeder Figur Leben einzuhauchen vermögen?«
    Als jüngster Meisterspieler aller Zeiten hätte ich früher sogar ein Kastanienmännchen zum Leben erwecken können, heute ist mir davon nur das Bauchreden geblieben , dachte Arian, und fast wäre es ihm auch herausgerutscht . Er biss sich auf die Unterlippe, wütend darüber, dass dieser glattzüngige Alte es beinahe geschafft hätte, ihn zu überrumpeln. »Ich bin sehr beschäftigt, Sir. Wenn ich noch etwas für Sie tun kann …«
    Er verstummte. Gerade hatte er zwei kräftig gebaute Männer in schwarzen Anzügen bemerkt, die sich aus Richtung der Wabbey kommend zielstrebig ihren Weg durch die Passanten bahnten. Wer ihnen nicht sofort auswich, wurde grob zur Seite geschoben. Die Kerle waren offenbar auf Schwierigkeiten aus.
    Der größere, ein richtiger Riese mit einem enormen Zinken im Gesicht, fasste sich ungeniert in den Schritt, als müsse er dort zunächst Ordnung schaffen, ehe er sich anderweitig betätigte. Er näherte sich Mister M. von rechts. Der kleinere und dickere – sein Körper hatte die Form einer Birne – wählte die andere Seite. Etwas Brutales, Bedrohliches ging von den beiden aus. Unwillkürlich wich Arian an den Baum zurück und griff nach der Puppe.
    Sein Verhalten weckte den Argwohn von Mister M. Er drehte sich zu den Männern um, die ihn inzwischen fast erreicht hatten. Zu ihren schwarzen Kniehosen, den Culotten, trugen sie Frocks – lange Röcke aus Wolle mit Schößen, die bis in die Kniekehlen reichten. Ihre schwarzen Stiefel waren abgeschabt und die Halstücher schmutzig. Die Dreispitze auf ihren Köpfen saßen so tief, dass ihre Gesichter dunkel umschattet waren. Wie freundliche Postboten sahen sie nicht aus. Mister M. wich ebenfalls vor ihnen zurück. Dabei zog er langsam die Hände aus den Taschen …
    Arian hielt den Atem an. Er hatte sich schon die ganze Zeit gefragt, was der Alte in seinem Rock versteckte. Ein Messer vielleicht? Oder eine kleine Pistole? In banger Erwartung zog Arian den Kopf ein, starrte auf das, was da zum Vorschein kam – und wurde enttäuscht.
    Es waren nur Hände, haarig und übersät mit dicken, bläulichen Adern. Und leer.
    Während Mister M. auf ihn zutrat, raunte er: »Hier trennen sich unsere Wege, Master Pratt.« Dann stolperte er.
    Unwillkürlich streckte Arian den Arm aus, um den Fallenden zu stützen. Mister M. ergriff seine Hand und schrie wie ein verängstigter Greis: »Bitte helfen Sie mir!« Einen Herzschlag lang trafen sich ihre Blicke, und was Arian in den Augen des anderen sah, rief in ihm eine unerklärliche Furcht hervor.
    Ihm war plötzlich, als fahre er mit gewaltigem Ruck aus seiner Haut heraus. Nie
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