Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Marseille-Connection

Die Marseille-Connection

Titel: Die Marseille-Connection
Autoren: Massimo Carlotto
Vom Netzwerk:
Kältestarr war er, mehr nicht. Aber er war Russe, da musste er an noch viel strengere Temperaturen gewöhnt sein.
    »Don« Juan stand auf. »Er ist bereit zu singen«, verkündete er, aber es klang wenig überzeugend.
    »Und wie hast du ihn dazu gebracht? Mit der Kraft der Gedanken? Du hast ihn überhaupt nicht angerührt.«
    »Das war nicht nötig, ich habe ihm einfach ein paar Sachen geschildert, die ich mit ihm machen würde, und schon wollte er kooperieren.«
    Die Polizistin setzte sich hin, starrte Peskow an und zückte ein digitales Diktiergerät. »Ich höre.«
    Noch als Sosim Katajew hatte er gelernt, äußerst geschickt zu lügen. Wer das eingefleischte Misstrauen der Mitglieder der Organisatsia austricksen wollte, brauchte Vorbereitung und Konzentration. Nichts durfte dem Zufall überlassen bleiben, weder Blick noch Haltung noch Wortwahl. Und die Lügen mussten immer auf einem Fundament aus nachprüfbaren Wahrheiten beruhen.
    Wäre B.B. das Vorleben ihres Gefangenen bekannt gewesen, so hätte sie ihm mit anderen Ohren zugehört. Stattdessen ging sie nach ein paar Minuten in die Falle und lauschte gebannt der Geschichte, die er sich eigens für sie ausgedacht hatte.
    Sie beschloss, dass Garrincha im Moment nicht mehr vonnöten war, und schickte ihn ohne Umstände weg: »Du kannst gehen. Ich melde mich.«
    Aleksandr redete über wirtschaftliche Verflechtungen, Korruption und Recycling, aber nichts von dem, was er erzählte, erinnerte auch nur von ferne an die tatsächlichen Interessen, die er mit der Bremond-Clique teilte. Sein Trick bestand vor allem darin, unablässig die Existenz von schriftlichen Beweisen zu beschwören.
    »Geschafft«, dachte die Kommissarin immer wieder. »Die bringe ich alle hinter Gitter.«
    Irgendwann redete er nicht mehr weiter.
    »Was ist los?«, fragte die Polizistin.
    »Mir ist kalt und ich habe eine trockene Kehle.«
    »Dann halt dich ran, dass du fertig wirst.« Sie ärgerte sich über die Unterbrechung, der Russe sollte ihr den Tag weiterhin verschönern.
    Peskow schnaubte. »Sie begreifen nichts. Ich verpfeife hier nicht die Namen irgendeiner Räuberbande, sondern erläutere Ihnen ein komplexes System von Wirtschaftskriminalität.«
    »Na gut.« Die Bourdet nahm seinen Mantel und legte ihn ihm um die Schultern. »Jetzt rede weiter. Etwas zu trinken besorgen wir später.«
    Der Russe redete langsamer und schilderte ihr in den folgenden vierzig Minuten einen komplexen, wenn auch rein der Phantasie entsprungenen Geldfluss von einer auf Gibraltar sitzenden Gesellschaft zu einer Bank auf den britischen Jungferninseln.
    Irgendwann klingelte das Handy der Kommissarin, die verwundert auf das Display sah.
    »Was ist los, Armand?«
    »Nichts ist los, ich mache gerade mit ein paar Freunden einen Spaziergang an der Plage des Catalans«, antwortete er.
    »Nicht das beste Wetter für einen Spaziergang«, meinte sie misstrauisch.
    »Ach, es ist sehr angenehm. So einen milden November hatten wir schon lange nicht mehr.«
    B.B. rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her. Was ging hier nur vor?
    »Wenn das hier nur ein Höflichkeitsanruf ist, muss ich ihn leider jetzt unterbrechen, ich habe zu tun. Vielleicht schaue ich heute Abend vorbei oder morgen.«
    Jetzt klang Grisoni gleich weniger angelegentlich. »Das hier ist ein Höflichkeitsanruf bei einer alten Freundin, um sie an einer Dummheit zu hindern.«
    »Worauf spielst du an?«
    »Lass deinen Gast besser gehen.«
    »Das kommt nicht infrage.«
    »Habe ich dir noch nie erzählt, dass ich schon immer ein großer Förderer der Kandidaturen unseres lieben Pierrick bin?«
    Schlagartig brach ihre Welt zusammen. Die knallharte Kommissarin der Brigade Anti-Criminalité war auf einmal nur noch eine vom Leben enttäuschte Frau.
    »Tu mir das nicht an«, flehte sie.
    »Die Sache ist gelaufen, B.B. Und niemand hat Konsequenzen daraus zu befürchten, auch nicht du.«
    Grisoni drückte das Gespräch weg.
    Ihr stiegen die Tränen in die Augen, und sie suchte in ihrer Handtasche nach einem Papiertaschentuch. Dann riss sie sich zusammen und zündete sich eine Zigarette an, die allerdings scheußlich schmeckte. Als sie sich wieder dazu imstande fühlte, begegnete sie dem Blick des Russen. Der war kalt, unbeteiligt, ohne eine Spur der Angst, die er bis eben noch gezeigt hatte.
    Die Bourdet nahm das Aufnahmegerät.
    »Du hast mir nichts erzählt als einen Haufen Scheiße, stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    »Ich habe zwei Fehler begangen«, stellte B.B. verbittert
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher