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Die Mappe meines Urgrossvaters

Die Mappe meines Urgrossvaters

Titel: Die Mappe meines Urgrossvaters
Autoren: Adalbert Stifter
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Obrist; es waren Bürger von Thunberg da; Frauen und Männer von Pirling; es war der sehr alte ehrwürdige Pfarrer von Sillerau zugegen, und saß neben seinem Amtsbruder aus Pirling; es waren Frauen und Töchter von Rathsherren da, deren Männer und Väter aber in dem Schießhause drüben waren; es waren geachtete Landleute da, der Erlebauer mit seinen Töchtern, der Vetter Martin, der Wirth am Rothberge, mit seiner Tochter Josepha; dann einige aus Haslung, aus dem Eidun und andere. Ich kannte beinahe alle. Sie grüßten mich, als ich nieder gesessen war, und einige machten mir den Vorwurf, warum ich denn so spät gekommen sei. Ich antwortete, daß meine Geschäfte von dem Zufalle abhingen, daß ich sie mir nicht auf eine gewisse Stunde lassen oder mir vorarbeiten könne, und daß ich daher erst zu erscheinen vermöge, wenn sie abgethan sind, und mich entlassen.
    Die obere Wirthin von Pirling kam mit einer sehr schönen gleichsam in Kristallen geschliffenen Flasche, in der Wein war, nebst einem Glase mit meinem Namen, das sie mir einmal hergerichtet hatten, daß ich daraus trinke, wenn ich in Pirling bin, zu mir her, und sagte: »Zur Tafel seid ihr, wie jedesmal bei solchen Gelegenheiten, zu spät gekommen. Diesen Wein gibt euch die Schützengesellschaft als Ehrentrunk; er ist der beste, der zu haben ist, er ist aus dem Keller meines Mannes, des Schützenmeisters, und ist heute für unsere geehrten Gäste heraus gebracht worden. Er steht unten in mehreren Flaschen in Eisfutter, und muß sehr kühl sein. Die Speisen, die ihr bekommen werdet, sind von dem unteren Wirthe, Bernsteiner, dem der Keller des Steinbühels gehört, und bei dem der Schützentanz sein wird. Er wird sie euch auch im Namen der Schützengesellschaft senden.«
    Als sie noch kaum ausgeredet hatte, kam die Tochter des alten Bernsteiners nebst zwei Mägden, welche Kuchen, allerlei kalte Speisen, schön verziert, und angenehm geordnetes Obst vor mich hin stellten.
    Ich dankte für die Aufmerksamkeit, und sagte, daß ich von den Dingen schon nehmen werde. Rings herum auf der Tafel standen vor denen, die da saßen, ähnliche Sachen, die Beschlußstücke eines gehaltenen Mahles. Die Männer hatten Wein, die Frauen und Mädchen Kuchen, Obst und dergleichen, und an mehreren Stellen stand auch ein Becher süssen Weines für manche ältliche Frau.
    Der Obrist redete mit dem Kaufherrn und mit dem Forstmeister, der von dem Schießhause herüber gekommen, und hinter ihre Stühle getreten war. Sie verhandelten alle Verhältnisse, die eben an der Zeit waren, und für die Gegend größere oder kleinere Dringlichkeit hatten. Ich sprach einige Worte zu dem Pfarrer von Sillerau, und zu anderen, die in meiner Nähe waren. Einige fragten mich um verschiedene Kranke, wie es ihnen gehe und ob Hoffnung zur Besserung sei. Ich hatte die Freude, ihnen sagen zu können, daß ich gar keinen schwer Erkrankten habe, und daß alle, die jetzt liegen, bald aufstehen würden.
    Die Mädchen und Frauen hatten ihre sonntäglichen Kleider an und manche waren sehr geputzt. Man erblickte silberne und sogar goldene Verzierungen auf den Miedern und Spangen. Margarita saß recht einfach neben mir auf ihrem Stuhle. Sie hatte ein graues geglänztes Kleid an, welches sie nach den weißen am meisten liebt. Auf dem ganzen Gewande war keine andere Zierde, als eine kleine rothseidene Schleife am Halse, wo das Gewand geschlossen war. Den feinen Strohhut, den sie im Sommer gerne trägt, hatte man ihr von dem Haupte genommen, und ihn an den Ast einer Birke gehängt. Obwohl sie nicht ihren sonntäglichen oder gar festtäglichen seidenen Putz an hatte, in dem sie mir immer gleichsam etwas fremd vorkam, so hielt ich doch dafür, daß sie unter denen, die hier versammelt waren, die schönste sei, noch schöner, als die Töchter des Erlebauer.
    Wir konnten nicht viel reden, und sagten nur gewöhnliche Dinge. Ihre Antworten waren recht lieb und gut und hold und freundlich. Ich weiß nicht, ob die Leute wußten, in welcher Beziehung ich zu Margarita gestanden war; aber niemand sagte ein Wörtlein, das dahin abzielte, oder eine Andeutung auf die Sache ahnen ließ, selbst dann nicht, als ich aufgestanden war und längs des Tisches hinab ging, um mit allen, die ich näher kannte, ein freundliches Wort zu reden. Sie hatten alle zu viele Achtung für mich, als daß sie es thaten.
    Nachdem diese Unterredung aus war, und nachdem ich noch manchen andern, die herum standen oder ein und aus gingen, auf ihre Fragen eine
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