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Die Mappe meines Urgrossvaters

Die Mappe meines Urgrossvaters

Titel: Die Mappe meines Urgrossvaters
Autoren: Adalbert Stifter
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dessen Rande, wo die Eidunfelder beginnen, der Wagen auf uns wartete. - Seht, Doctor, ich bin recht freudig über die Güte dieses Kindes. Ich habe sie vielleicht zu sündhaft lieb, aber es ist ein Naturspiel da, das wunderbar ist. Ich habe euch schon gesagt, daß ich am Begräbnißtage meines Weibes bemerkt hatte, daß auf dem Munde der dreijährigen Margarita die Knospe der Rose war, die sie eben begraben hatten, und daß in ihrem Haupte die Augen ihrer Mutter standen. Nach und nach ist sie ihr immer ähnlicher geworden; und seit sie fort war, ward sie ihr vollkommenes Ebenbild. Als wir dieser Tage so durch die Wiesen und Wälder wandelten, bemerkte ich, daß sie den Gang ihrer Mutter habe, daß sie dieselben Worte sage, und daß sie bei Gelegenheit den Arm so hebe, den Leib so beuge, gerade wie sie. Ich mußte meine runzligen Hände anschauen, um nicht zu glauben, ich sei jung, und es gehe mein junges Weib neben mir, und sammle mir Blumen, und pflücke Nüsse, wie einst in jenem Walde. Darum liebe ich sie gar so sehr. - Als wir heute durch eure Zimmer gingen, und sie eure Geräthe und sonstige Anordnung sah, erblickte ich auf ihrem Angesichte denselben gewinnenden Schimmer, wie einstens an meiner Gattin, da sie in meinem Hause schalten und walten und stellen durfte, wie sie wollte. Ich erkannte hieraus auch, daß Margarita in dem Augenblicke das Nehmliche empfinde, wie damals ihre Mutter. - - Seht, so ist es mit Margarita. - Ich weiß auch, wie es mit euch ist, und wußte es immer. Ich erkannte es, weil ihr schwieget - ich kenne das männliche Verschließen in der Brust, anstatt zu klagen - und das treuliche Erfüllen seines Berufes. Ich wußte es, wenn ich auch bei mir stille schwieg. Ich muß euch, weil ich jetzt rede, meine ganze Schwäche sagen. Da ich einmal von euch fort ging, kamen mir bitterliche Thränen in die Augen, weil ich gesehen habe, daß ihr eine heilige Margarita, deren Sinnbild ich gar wohl kenne, auf euren Hausaltar gestellt habt, um euer Herz zu trösten. - Wißt ihr noch, wie ich einmal an dem traurigen Tage, da ich euch meine Lebensgeschichte erzählte, gesagt habe, ihr hättet eine schöne Lage in der Biegung des Thales, ihr wäret noch jung, und wenn ihr euch bestrebtet, könne es ein schönes Besitzthum werden, das seinen Herrn und seine Frau erfreut, wenn einmal eine einzieht. Wißt ihr es noch? Wie hold ist es jetzt, daß Margarita eingeht, die ihr immer so gerne gewollt habt! - - Ich muß euch, lieber Doctor, weil die Sache einmal so ist, und wir darüber reden, auch das noch sagen: Margarita ist nicht reich, denn ich bin in meinem ganzen Leben arm gewesen; aber sie kömmt auch nicht ohne Mittel in euer Haus. Ich habe in meinen letzten Tagen gespart, wie ich in meinen ersten verschwendet habe, und das Wenige, welches für sie von meinen Vorfahren herstammt, habe ich zusammen gehalten. Sie bekömmt einmal das Haghaus mit dem, was dazu gehört, sie bekömmt die Bilder, die Bücher, und dann alles das andere, was noch da ist; denn ich habe ja niemand weiter, als euch beide.« - -
    »Hört auf, Obrist,« rief ich, indem ich ihn unterbrach, »redet nicht von diesen Dingen - wie kann ich euch denn für eure Liebe danken, und wie kann ich es denn begreifen, daß ihr so gut und groß seid.«
    »Nein ich bin nicht gut,« antwortete er, »ich suche in euch nur meine Freude. Wir bleiben nun alle beisammen. Ihr werdet in dem oberen Hause wohnen, oder auch in dem unteren, oder es mag Margarita, wie es das Natürlichste ist, bei euch sein, und ich oben in meinem Hause. Ihr werdet oft bei mir sein, ich oft bei euch, und es wird sich ein Umgang spinnen, der noch freundlicher ist, als bisher. Ich kann euch nur sagen: ihr erhaltet in Margarita ein sehr gutes Weib, das ihr ehren müsset, und sie wird in eurem Hause so glücklich sein, wie es meine Gattin in dem meinigen gewesen ist, gebe ihr nur Gott dereinst einen späteren und einfacheren Tod, als ihrer Mutter. - Aber jetzt, Doctor, müssen wir zu den anderen hinunter gehen. Sie wissen schon, daß ihr da seid, ihr müßt ihnen auch eine kleine Zeit gönnen, da ihr ohnehin immer durch euer Amt aufgehalten seid, und zu solchen Dingen gewöhnlich erst spät kommen könnt.«
    »Wartet noch einen Augenblick, Obrist,« sagte ich, »ihr wißt wohl, wie ich euch stets verehrt und geliebt habe; aber ihr thut mir noch immer mehr Gutes, als ich erwarten und verdienen konnte. Ich muß euch hier meinen großen Dank dafür sagen, und muß euch sagen, seit ihr in der
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