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Die Mappe meines Urgrossvaters

Die Mappe meines Urgrossvaters

Titel: Die Mappe meines Urgrossvaters
Autoren: Adalbert Stifter
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Gegend seid, ist es mir, als hätte ich wieder einen Vater, und wäre nicht mehr, wie früher, allein.«
    »Ihr habt es ja erfahren, ich bin es auch, ich bin euer Vater,« antwortete er, »und werde es in der Zukunft noch mehr sein. - Aber jetzt kommt, laßt uns hinunter gehen, die anderen warten schon und möchten es übel nehmen, wenn gerade wir zwei nicht an der Fröhlichkeit Antheil nähmen.«
    Nach diesen Worten wendeten wir uns beide von dem Gipfel des Felsens, und stiegen auf dem Wege, der um Steine und graue Klippen geht, hinunter. Wir hatten oben von der allgemeinen Freude nicht viel vernommen. Die Schüsse hörten wir nur gedämpft, und von dem Wäldchen mochte manchmal ein einzelner Ruf herauf gekommen sein, den wir nicht beachteten. Da wir aber hinab gingen, näherten sich uns gleichsam wieder die Schüsse, die Töne der Waldhörner, die Rufe der Knaben und Mädchen, und das ruhige Gemurmel des allgemeinen Durcheinandersprechens der Menschen. Wir schlugen weiter unten einen andern Weg ein, als den ich heraufgegangen war, und näherten uns der hölzernen Hütte, dem Gezelte und überhaupt dem Platze, wo die Menschen mehr zu ihrer Lust zusammen gedrängt waren.
    Wir kamen wieder zu wandelnden Gruppen, und zu spielenden Kindern. Auf einem grünen Platze unter den Bäumen war ein Stand aufgeschlagen, wo man Lebkuchen verkaufte, und nicht weit davon war einer, in welchem der Josikrämer stand, und seine Sachen zum Verkaufe ausgelegt hatte. Er hatte gerade diejenigen gewählt, welche für den heutigen Tag die passendsten waren. Weil ich und er die einzigen waren, die in der Gegend am meisten herum kommen, und auf ihren Wanderungen sich öfter treffen, ging ich zu ihm hinzu und sprach mehrere Worte mit ihm. Der Obrist redete mit den Kindern und gab ihnen Geschenke, wovon er die Taschen seines Gewandes voll hatte.
    Endlich kamen wir zu dem Gezelte. Es war nicht ein von allen Seiten geschlossenes, sondern man hatte über einen großen Tisch, an welchem die vorzüglicheren Bewohner der Gegend saßen, gleichsam einen weißen Baldachin in die Baumäste geknüpft, um die Sonnenstrahlen abzuhalten; aber es war dennoch, wie ein rings herum begrenzter Saal, weil gerade um den Platz die schönsten und die dichtesten Föhren und Birken standen. Als wir durch den Eingang eingetreten waren, sahen von dem oberen Ende des Tisches zwei sanfte Augen auf mich herüber - ach Gott! ich erkannte sie gleich - es waren Margaritas Augen, - sie blickten mit dem schönen demüthigen Lichte, das einst meine Freude und mein Entzücken gewesen war. Wir gingen an den Menschen, die an dem Tische saßen, nach einander hinauf, damit ich sie begrüße, und damit wir, der Obrist und ich, die Stühle einnähmen, die man an ihrer Seite für uns leer gelassen hatte. Da ich bis zu ihr gekommen war, sagte ich: »Seid mir herzlich schön gegrüßet, Margarita, ich bin abwesend gewesen, da ihr angekommen seid, sonst hätte ich meinen Willkommensgruß schon in das Haghaus hinauf gebracht. Euer Vater hat es mir erst vor wenigen Augenblicken gesagt, daß ihr auf dem Steinbühel seid. Seid mir recht, recht schön gegrüßt.«
    Sie war aufgestanden, als ich zu ihr getreten war, und zog den Handschuh aus, um mir die Hand zu reichen. Sie war erröthet und die Hand, die sie mir reichte, zitterte sehr.
    »Seid mir auch gegrüßt,« antwortete sie. »Ich war schon drei Tage zu Hause, während ihr fort waret, und heute morgens sind wir bei euch gewesen, um euch selber meine Ankunft zu sagen; aber ihr seid sehr früh ausgefahren, und waret schon lange fort, da wir kamen. Seid mir vielmal gegrüßt.«
    Wir faßten uns bei den wechselseitig dargereichten Händen, und drückten uns dieselben recht freundlich.
    Sie zog dann den Handschuh wieder an, und setzte sich nieder. Obwohl sie zu Hause immer in bloßen Händen ist, und uns auch so auf unsere Spaziergänge und zum Pflücken der Blumen begleitet hatte, so hielt der Obrist doch bei solchen Gelegenheiten darauf, daß sie den Anstand beobachte, und die Anwesenden ehre. Darum war er selber auch in einem schönen dunklen Gewande. Er saß auf dem Stuhle zu ihrer Rechten, und ich setzte mich auf den, der links war, und den man mir aufgehoben hatte. Ich setzte mich ein wenig weiter weg, und gab Acht, daß ich an ihrem Gewande nicht streife.
    Ich wußte jetzt eigentlich nicht, was ich sagen sollte.
    Es waren viele Menschen zugegen, welche ich kannte. Es saß der Kaufherr von Pirling mit seinen Töchtern gleich neben dem
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