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Die Maori-Prinzessin

Die Maori-Prinzessin

Titel: Die Maori-Prinzessin
Autoren: Laura Walden
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Kind. Der Kleine bekam einen Schreck, wurde krebsrot und brüllte los.
    »Du musst dich entscheiden, Mutter! Er oder Adrian!«
    »Was soll das heißen?«, fragte Lucie mit bebender Stimme und wusste doch ganz genau, was die Tochter ihr damit verstehen zu geben versuchte.
    »Du wirst mein Kind so lange nicht wiedersehen, bis dein Liebhaber mit dem grünen Amulett aus dem Haus ist!«, kreischte Joanne mit überschnappender Stimme. Auch das Gebrüll des Kindes wurde immer lauter.
    Joanne aber kümmerte sich nicht darum, sondern drehte sich auf dem Absatz um und verschwand mit dem schreienden Kind auf dem Arm. Dann war alles still.
    Lucie fühlte sich wie betäubt. »Was soll ich nur machen?«, fragte sie verzweifelt und schlug die Hände vors Gesicht.
    »Überleg es dir gut. Du weißt, was ich davon halte, dass Hehu bei dir wohnt, aber ich denke, du solltest dich nicht erpressen lassen.«
    »Nur macht sie Ernst, und dann sehe ich das Kind nie wieder!«, stieß Lucie unglücklich hervor.
    Harakeke zuckte die Achseln. Sie schwiegen eine Weile. Beide Frauen hingen ihren Gedanken nach, bis Lucie die Stille durchbrach. »Harakeke, es bricht mir das Herz, wenn ich das Kind aufgebe, aber ich kann auch Hehu nicht einfach auf die Straße setzen. Weißt du … er … also, ich habe ihm gegenüber eine Verpflichtung …« Lucie brach ab. Noch nie war sie so kurz davor gewesen, ihrer Schwester die Wahrheit anzuvertrauen, dass sie den Vater umgebracht und Hehu sie gedeckt hatte. Während sie mit sich kämpfte, ertönte hinter ihnen an der Tür plötzlich ein Geräusch. Lucie und Harakeke drehten sich um. Sie sahen jedoch lediglich einen Schatten entschwinden.
    »Hehu?«, rief Lucie, erhielt aber keine Antwort. Wieder verfiel sie in quälerisches Grübeln. Was die Schwester ihr wohl raten würde, wenn sie die Wahrheit erführe?
    Schließlich entschied sie sich dagegen. »Mir wird schon etwas einfallen«, erklärte sie kämpferisch. »Ich werde Joanne einfach belügen und ihr versprechen, dass er fort ist. Und er darf sich nur nicht mehr sehen lassen, wenn sie kommt.«
    »Wenn du das durchhältst, mach das!«, entgegnete Harakeke wenig begeistert von dieser Idee. »Aber gut … wenn er nun einmal nicht in unser Dorf zurückkann …«
    Lucie war plötzlich in Gedanken abgeschweift. Sie dachte an ihre Kindheit. So intensiv wie lange nicht mehr. Hehu war schon damals ihr Freund gewesen. Harakeke hatte sie oft damit aufgezogen und ihr erklärt, sie bräuchte keinen Freund, sie hätte doch sie, ihre Schwester.
    »Weißt du noch, wie wir als Kinder Bälle aus den Flachsresten gefertigt haben und Hehu uns die Bänder gebastelt hat?«, fragte Lucie verträumt.
    »Ja, ich erinnere mich genau. Und ich weiß auch noch, wie ich dir verbieten wollte, mit Hehu zu spielen, und er einst unser Gespräch belauscht hat und dann …«
    »Der Schatten«, rief Lucie aus und sprang so heftig auf, dass der Stuhl mit Gepolter nach hinten kippte. »Was, wenn er uns gehört hat! Ich muss nach ihm sehen«, murmelte sie und eilte ins Haus.
    Als Hehu auf ihr Klopfen nicht reagierte, öffnete sie seine Zimmertür einen Spalt weit. Sie erfasste auf einen Blick, dass all seine Sachen fort waren. Selbst die Bastmatte, auf der er geschlafen hatte. Sie rief seinen Namen, während sie durch das ganze Haus rannte. In der Küche traf sie auf Stella, die am Küchentisch saß und bitterlich weinte.
    »Er hat nicht gesagt, wohin er geht, sondern nur, dass ich nicht traurig sein soll«, schluchzte Stella.
    Lucie aber blieb regungslos stehen. Die unterschiedlichsten Empfindungen wechselten sich ab wie Feuer und Eis. Er tat ihr unendlich leid, sie vermisste ihn schon jetzt, sie hatte ein schlechtes Gewissen … und dann machte sich auch so etwas wie Erleichterung bemerkbar. Hehu hatte wieder einmal ein Problem für sie gelöst. Und Lucie würde sich weiterhin um ihr Enkelkind kümmern können …
    Wenn sie in diesem Augenblick geahnt hätte, dass in Zukunft kaum ein Tag vergehen würde, an dem sie sich nicht wünschte, er würde zurückkehren, hätte sie alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihn zu finden. So aber glaubte sie, dass es eine gute Lösung war.



P OVERTY B AY /T OLAGA B AY , O KTOBER 1933
    Es waren nur noch wenige Meilen bis nach Gisborne. Rechter Hand glitzerte das Wasser der Poverty Bay in der Frühlingssonne. Lucies Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie sich Gisborne näherten. Von dort würden sie zu Fuß auf den Titirangi bis zu jenem befestigten Dorf steigen,
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