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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen
Autoren: Willy Seidel
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Stimmung«, ließ er wissen, »sei gehoben. Er wolle nicht immer bloß Fremdenführer spielen. Er wolle selbst einmal den ›Fremden‹ spielen. Er ersehne einen Ort, wo sich allabendliche Gemütlichkeit an Schrammelmusik stärke; er fühle heute etwas Unternehmungsgeist.«
    Die konservativen Gäste und verträumten Kellner hierauf berieten sich untereinander. Dann sagten sie, was die »Schrammelmusik« anlange, so gäben sie ihm einen großartigen Tip. Das rechtsstehende Element in Wien habe ein Geheimlokal, wo es sich treffe. Er würde da die Elite finden von früher, die Creme der alten Gesellschaft; warm ums Herz würd's ihm werden; so ganz im eigenen Fahrwasser würd' er schwimmen . . . Eingeklammerte Grafen streiften dort ihre Klammern ab und gäben sie in der Garderobe ab. »Tabarin« heiße das Geheimlokal. Er solle mit Scheuklappen hineingehen und sich vorher niemandem anvertrauen; kenne man sich doch jetzt nicht mehr aus, wer ein Sozialdemokrat oder gar Kommunist sei und wer noch ein anständiger Mensch.
    Das begreife er gut. Ganz ihrer Ansicht sei er. Hätt' man übrigens schon jemals so was Dummes gehört als »eingeklammerte« Grafen? Sein seliger Graf würde sagen: »Karl der Große hat mich geadelt; und Karl Renner will mich ent adeln? . . . Soll er's probieren . . .«
    Die Gäste wurden immer munterer, geradezu ausgelassen. »Also, Herr Hofrat – (sie tauften ihn Hofrat!) – dort werden Sie was erleben, dort im Tabarin. Sie werden sich zurückversetzt fühlen in die schöne alte Zeit, direkt ins Dreimäderlhaus! Eine reizende Schrammelmusik werden Sie finden! Einen Geiger, der seinen Kasten menschlich behandelt, und einen Pianisten, der streichelt die Tasten . . . Aber die Hauptsach', Herr Hofrat, warum Sie dort hingehen müssen, ist die Baker Peperl . – Unsere Baker Peperl.«
    »So, so«, sagte er und zwinkerte verständnisinnig. Dabei kämmte er leicht erregt seine Bartpolster. »Fesches Madel, was? – Eine Hiesige?«
    Die Gäste besprachen sich wieder untereinander. Sie machten schnaubenden Gebrauch von ihren Taschentüchern. Dann wandten sie sich wieder Herrn Perlafinger zu und sprachen: »Sie ist nicht gerade von Wien gebürtig. Mehr südlich. Stark brünett. Aber ein fesches Madel, ganz wie Sie sagen, Herr Hofrat. Eine Tänzerin. Wie der liebe Gott die g'schaffen hat, war der Heurige gut. Wir sagen Ihnen, die tanzt einen Drahrer, daß Ihnen ganz anders wird. Die engagiert Sie, passen S' auf; da kriegen S' eine Hitzen, und mit den Augen schmeißt s' wie mit Knallerbsen. Wissen S' . . . (in Ermangelung weiterer Vergleiche seufzte man) . . . also zum Anbeißen. Und unterhaltsam. Keine Ziererei; keine Ziererei . . . Ja, ja, die Baker Peperl.«
    Herrn Perlafinger lief das Wasser im Mund zusammen. »Gut. – Ich gehe!« rief er schallend und schwenkte sein Glas. Alle tranken ihm zu.
    »Servus, Herr von Perlafinger! Und grüßen S' die Baker Peperl von uns, vom Stammtisch im Griechenbeisl!«
    – – Als er die Treppe ins Freie gewann, aus der verließartig angelegten Lokalität heraus, hörte er noch, wie sie drinnen sangen und durcheinander riefen: »Nußbraune Maid« – »goldig's Mensch« – »hat Wien im Sturm erobert« . . .
     
    Der Portier in der lichterflammenden Einfahrt zum »Tabarin« tritt beiseite, um einen Herrn hineinzulassen, der mit der Geste eines alten Kenners der Garderobe zustrebt. Er sieht dem Kaiser Franz Joseph zum Verwechseln ähnlich; nur der Bauch stört im Bild. Und die leicht untersetzte Figur. Der Portier schmunzelt und seufzt ein wenig.
    »Ich bin der Hofrat von Perlafinger«, sagt der Herr mit einer gewissen Strenge im Ton zur Garderobenfrau. »Falls ich gewünscht werd', so haben Sie in das Lokal hineinzurufen: ›Herr Hofrat!‹ Haben Sie verstanden?«
    »Jawohl, Herr Hofrat«, sagt das schlichte Weib und glotzt aus übermüdeten Augen. »Wie Sie befehlen.« Sie starrt mit der gleichen Verblüffung auf einen Fünfschillingschein, der ihre Handfläche ziert. »Küss' d' Hand, Herr Hofrat.«
    »Sagen Sie . . .« fährt der Hofrat fort und zupft an sich – »hat man mich richtig orientiert, daß hier ein Fräulein – Baker? Wie? – mit dem volkstümlichen Namen ›Peperl‹ (soll wohl augenscheinlich das Mundartliche sein für ›Josephine‹) . . . daß also ein derartiges Fräulein hier auftritt?«
    Das übermüdete Garderobeweib nimmt sich zusammen. »Jawohl!« sagt sie schier militärisch. »Herr Hofrat sind richtig. Bemühen
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