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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen
Autoren: Willy Seidel
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er konnte ihm nicht einmal an den Kragen!!
    Er kam noch gerade zurecht, als man im Begriff stand, die Treppe hochzukurbeln, und als die letzte Kiste, von kreischender Dampfwinde gehißt, in den Bauch des Schiffes hinabpendelte. Die Kohlenschlepper, in ihrem geleerten Kahn, ließen ihr Schnattern in einen Abschieds-Singsang übergehen; knapp zwischen Schiffsrand und Kahn landete der Sampan, zum letzten brausenden Schrei der Sirene, und der Alte, keuchend wie ein Tier, heischte seinen Lohn. – »Den kannst du dir bei deinem jungen Galgenstrick holen, der meine Dollars hat!« schrie Zinkeisen ihn höhnisch an und schwang sich auf die Treppe. Zäh und geifernd wie eine Spinne kroch der Alte ihm nach. Da stieß der Steward ihn mit dem Fuß zurück und landete mit zwei Sätzen im Zwischendeck.
    Was tat nun der Alte jetzt dort drunten? – Ja, das ekstatische Stockzahnlächeln – das war ihm vergangen. Herabkollernd verzerrte er das Gesicht zu einem seltsamen Ausdruck, als ob er flöten wolle; – die Augen verdrehten sich, bis sie wie Perlmutter heraufschimmerten. – Und jeder, der seine Finger nach hinten unter die Jacke tasten sah, hätte Zinkeisen wohl in aller Freundschaft geraten, in Zukunft in Singapore lieber nicht mehr an Land zu gehen . . .
    – – – Das Gerücht von dem Zustand, in dem er seinen Landurlaub beendet, drang alsobald (um dies kurz abzuhandeln) zu Ohren des früheren Kapitäns zur See, jetzigen Frachtdampfer-Bosses; dieser sah »rot« und kündigte ihm prompt ab Heimatshafen. – Zinkeisen versuchte keine Beschönigung; er hatte das Schiff blamiert. Er erledigte seinen Dienst schlampig, rasierte sich seltener und verwahrloste . . . Ja, so weit war es nun mit ihm gekommen. Die glatte Mauer, die das ersehnte Ausland ihm entgegengestellt, hatte ihm eine Stirnbeule eingetragen . . . wie eine Hirnerschütterung war's, eine leichte Verblödung.
    Zuweilen träumte er von seiner Frau; es waren angenehme Träume. – Ein offener Kimono spielte eine Rolle darin und ein Gefühl von Versorgtsein und saturiertem Paschatum. Ganz intime, längst entwöhnte Genugtuungen schwemmte das Unterbewußtsein mit herauf, so daß die Person viel von ihrer Farblosigkeit verlor und, von Regenbogenrändern umrissen, eine emsige Tätigkeit in seinem Gemüt hervorrief.
    So bewölkt die Aspekte für ihn also waren, so saß doch im Hintergrund die angenehme Erwartung des Wiedersehns und der Möglichkeit, ihr klarzumachen, daß er sie im Grunde sehr schätze. Seine Rauheit beim Abschied: nun wohl, das war die Entgleisung gewesen von jäher Unternehmungslust und demnach emporschwellender Männlichkeit. Man fühlt sich eben von den Weibern gelangweilt, von ihren Zaghaftigkeiten und zimperlichem Getue . . . sie müssen einen Dämpfer kriegen; – aber (und Zinkeisen, beim Servieren, legte einen Finger an die Nase) ebenso auch einmal einen anerkennenden Klaps, wenn sie bei der Stange bleiben und sich strapazieren. – – Solchen auszuteilen und die Beziehungen einzurenken, war er jetzt nach der Heimat unterwegs. Mit den Herrlichkeiten der Welt war es nichts mehr; und nun begann man den Spatz in der Hand zu schätzen.
    Abgesehen von solchen Erwägungen leichter Reue und stetig wachsenden Heimwehs, spürte Zinkeisen, wie begreiflich, eine gewaltige Melancholie. Seine schöne Selbstsicherheit von früher, seine runde Eitelkeit hatte eine kranke Stelle, die langsam an ihr fraß . . . So, als zeige sich im Gerüst seiner Seele ein Rost, der die Vernietung lockere. Dem Parademarsch seiner Gedanken hatte die rauhe Welt ein »Rührt euch« zugebrüllt; nun waren sie aus der Ordnung geraten und stießen sich schmerzhaft. Mathilde, die kleine intensive, wenn auch farblose Person, mußte wieder Befehle erlassen, damit wenigstens eine »Schlange« daraus wurde, eine Queue, – damit die Begriffe anstehen konnten dort, wo es eine neue stramme Montur für sie gab.
    Er beschloß, ihr nichts zu schreiben; von der Kündigung durfte sie nichts erfahren; Blamage vor ihr fürchtete er jetzt wie Feuer. Er würde einfach auftauchen, wieder da sein – schlechte Auslandskonjunktur . . . Mündlich ging es alles viel besser; auch waren seine Hände vom Servieren und Spülen so zittrig und steif geworden, daß ihn die gewohnte Kalligraphie, so oft er's probierte, im Stich ließ.

Kaffeestündchen zu dritt
    Ich liebe«, sagte Herr Brecht. »den Kaffee stark gesüßt. – Geben Sie mir noch etwas Zucker, Frau Zinkeisen.«
    »Hier! Gern!«
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