Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall
Autoren: Julie Klassen
Vom Netzwerk:
drohte, war sie zu einem Kompromiss bereit. Sie würde niemals einen Mann heiraten, den sie verabscheute, doch sie konnte immerhin den charmanten, gut aussehenden Lewis Upchurch erhören. Schließlich war sie einmal so angetan von ihm gewesen, dass sie sogar den Antrag seines Bruders abgelehnt hatte in der Hoffnung, stattdessen Lewis zu gewinnen. Auch Lewis hatte sie damals bewundert, da war sie sich ziemlich sicher. Auf jeden Fall hatte er mit ihr geflirtet.
    Doch dann war ihr über alles geliebter Vater gestorben und Margaret hatte das Interesse an Lewis Upchurch und der Gesellschaft überhaupt verloren. Über ein Jahr lang hatte sie getrauert und keine Gesellschaften besucht. Als sie vor einiger Zeit wieder angefangen hatte, unter Menschen zu gehen, hatte Lewis anfangs wieder Inte­resse an ihr gezeigt, doch das schien nur vorübergehender Natur zu sein, und es hatte sich nichts weiter daraus ergeben. War es jetzt vielleicht zu spät?
    Margaret straffte die Schultern, nahm ihre Maske ab und raffte für die Aufgabe, die vor ihr lag, ihren ganzen Mut zusammen. Lewis Upchurch zu einem Antrag zu verleiten war ihre einzige Möglichkeit, Benton House und der hinterhältigen Falle, in der Sterling und sein Neffe sie fangen wollten, zu entkommen.
    Der junge Mann neben ihr begann sich plötzlich zu versteifen, so als hätte sie ihre Gedanken und Absichten laut ausgesprochen. Sie schaute so unauffällig wie möglich zu Marcus Benton hinüber und sah, dass er ihrem Blick quer durch den Saal gefolgt war. Seine weit auseinanderstehenden Katzenaugen verengten sich zu Schlitzen. Er blickte sie an, ein selbstgefälliges Lächeln unter seiner Knollennase. Marcus war nicht groß, höchstens drei Zentimeter größer als sie. In dem Versuch, lässig zu wirken, trug er sein dunkles Haar wirr in die Stirn gekämmt, doch sie wusste genau, dass sein Kammerdiener mindestens eine halbe Stunde gebraucht hatte, um diesen Effekt zu erzielen. Früher einmal hatte sie Marcus für gut aussehend gehalten, doch die Zeit war lange vorbei.
    Er nahm ihren Arm, doch sie schüttelte ihn ungeduldig ab. Dann holte sie tief Luft und schritt über die momentan leere Tanzfläche. Auf der Stirnseite des Saales entspannten sich die Musiker bei Bowle und Bier und unterhielten sich leise lachend. Jetzt stand Lewis Upchurch unmittelbar vor ihr, doch er war ganz auf Mr Saxby und die ihr unbekannte Frau konzentriert. Wie Margaret trug auch sie keine Maske; als Kostüm hatte sie das eng anliegende Gewand der griechischen Göttin Diana gewählt. Margaret hätte Lewis lieber allein gesprochen, doch sie traute sich nicht, noch länger zu warten, weil sie befürchtete, dann den Mut zu verlieren. Vielleicht würde sich das Paar ja bei ihrem Erscheinen taktvoll zurückziehen.
    Margaret versuchte sich Mut zu machen, indem sie sich in Erinnerung rief, dass Lewis immerhin früher schon besonderes Interesse an ihr gezeigt, sie wiederholt zum Tanz aufgefordert, mehrmals zum Essen begleitet und sie am nächsten Tag besucht hatte, wie die Etikette es erforderte. Er war sympathisch und aufmerksam gewesen, und außerdem sah er unverschämt gut aus. Aber er hatte ihr keinen Antrag gemacht. Vielleicht hatte sie ihn auch nicht genügend ermutigt, schließlich hatte sie es ja nicht eilig gehabt zu heiraten.
    Bis jetzt.
    Außer Marcus Benton hatte ihr bisher nur ein einziger Mann einen Heiratsantrag gemacht, und das war vor zwei Jahren gewesen, bevor Lewis von den westindischen Inseln zurückgekehrt war und ihr den Kopf verdreht hatte. Die Erinnerung daran, wie eiskalt sie Nathaniel Upchurch, Lewisʼ jüngeren Bruder, damals abgewiesen hatte, verursachte ihr jetzt noch heftige Schuldgefühle. Nathaniel hatte sie damals heiraten wollen, doch sie hatte mit Sicherheit jedes Gefühl, das er ihr entgegengebracht hatte, abgetötet. Und außerdem befand er sich im Moment weit fort auf Barbados, wo er sich seit zwei Jahren aufhielt und an Lewisʼ Stelle die Zuckerrohrplantagen der Familie leitete. So­gar Nathaniel, der bescheidene jüngere Sohn mit seiner Brille und seinem blassen Gelehrtengesicht, hätte einen besseren Ehemann abgegeben als Marcus Benton.
    Mit einem Lächeln auf den Lippen trat Margaret zu dem Trio und hoffte nur, dass keinem der Gäste ihre dreiste Annäherung auffiel. Sie wollte, dass Lewis zu ihr herüberblickte, und hoffte, dass sein Gesicht aufleuchten würde, wenn er sie sah. Als sie schließlich neben ihm stand, warf Lewis ihr tatsächlich einen Blick zu, doch er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher