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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall
Autoren: Julie Klassen
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wird.«
    »Ja, Miss.« Als Joan sich aufrichtete, sah Margaret, dass ihre Augen zornig aufblitzten. Nun, an dieser Zurechtweisung war sie selbst schuld. Es war schließlich ihre Aufgabe, das Zimmer aufzuräumen und sich um Margarets Garderobe zu kümmern.
    »Du musst mich frisieren«, sagte Margaret. »Ich werde die Perücke nun doch nicht tragen.«
    »Aber …« Das Mädchen biss sich auf die Lippen, dann seufzte sie. »Ja, Miss.«
    Joan hatte Margarets blondes Haar eng am Kopf zusammenge steckt, damit die Perücke darüberpasste, und nun würde sie die Haar nadeln entfernen und das Haar neu wellen, frisieren und locker aufstecken müssen. Dann musste sie seitlich an den Schläfen zwei Sträh nen herausziehen und zu Korkenzieherlocken formen, die Margarets etwas pausbäckiges Gesicht schmaler wirken ließen. Margaret hoffte, dass ein einfaches Hausmädchen dieser Aufgabe gewachsen war, aber wahrscheinlich würde sie ihr die Prozedur Schritt für Schritt erklären müssen.
    Margaret selbst war mit der Zeit recht geschickt darin geworden, ihre Schwester zu frisieren, ja, es machte ihr sogar Freude. Glücklicherweise hatte Caroline noch nicht debütiert und würde deshalb den Ball nicht besuchen, sonst hätten die drei Macy-Frauen überhaupt keine Chance gehabt, rechtzeitig fertig zu werden.
    »Vorsichtig, Joan. Ich will ja schließlich nicht kahl werden.«
    »Ja, Miss.«
    Margaret hatte immer wieder gehört, dass ihr hellblondes Haar das Schönste an ihr sei, deshalb konnte sie es sich nicht leisten, es in dieser Nacht der Nächte zu bedecken. Sie brauchte alle Reize, die ihr zur Verfügung standen, wenn ihr Plan gelingen sollte.

    Margaret betrat den Ballsaal. Sie trug ein schlichtes blaues Kleid mit Schürze und eine Maske. Auf ihrem herrlichen Haar schwebte ein Spitzenhäubchen, in der Hand hielt sie einen kleinen Milcheimer. Den jungen Mann an ihrer Seite absichtlich übersehend, blickte sie sich aufmerksam im Saal um.
    Die griechische Göttin Diana schäkerte mit einem Sultan in Turban und fließendem Gewand. Ägypter mit abenteuerlichem Kopfschmuck und funkelnden Juwelen auf der Stirn tanzten mit Zigeunerinnen. Kasperles Frau mischte sich unter Bettler. Manche Gäste hatten die Anonymität zugunsten der Attraktivität aufgegeben. An dere, insbesondere die, die die allgegenwärtigen Dominomasken und Kapuzencapes trugen, waren völlig unkenntlich. Die fröhliche Musik, die bunten Kostüme, das Lachen und die Scherze schufen eine karnevalsartige Atmosphäre, doch diese Stimmung drang nicht zu Margaret durch und konnte ihre Unruhe nicht besänftigen.
    Dann entdeckte sie ihn auf der gegenüberliegenden Seite des Ballsaals und ihr ganzer Körper spannte sich an wie der einer geschmeidigen Katze, die ihrer Beute auflauert. Dennoch befürchtete sie, dass sie diejenige sein würde, die Blessuren aus dieser Begegnung davontragen würde.
    Lewis Upchurchs einzige Kostümierung bestand aus einer verwegenen Augenklappe; ansonsten trug er die Abendkleidung eines vollendeten Gentlemans: schwarzer Frack, makellos weiße Weste, Krawatte, knielange Pantalons und auf Hochglanz polierte Stiefel. Er stand mit einem Mann und einer Frau zusammen, mit denen er sich lebhaft zu unterhalten schien. In dem Mann erkannte sie Lewisʼ Freund Piers Saxby. Saxby trug einen Dreispitz und hatte ein Halstuch umgebunden; er erinnerte sie an die Stahlstiche von Captain Blackbeard und anderen Piraten, die sie gesehen hatte. Margaret war gut befreundet mit Saxbys Schwester Lavinia; die beiden Mädchen waren zusammen zur Schule gegangen. Vielleicht konnte sie sich unter dem Vorwand, Lavinia zu suchen, zu dem Trio gesellen.
    Doch sie würde vorsichtig sein müssen. Lewis Upchurch mochte eine gute Partie sein, aber es würde bestimmt nicht leicht werden, und sie war sich alles andere als sicher, ob er ihr ins Netz gehen würde. Einen Augenblick blieb sie einfach stehen, wo sie war, schockiert von ihrer eigenen Skrupellosigkeit und ihrer Berechnung.
    Vor einigen Jahren, als sie von dem Erbe erfahren hatte, das ihr mit ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag zufallen sollte, hatte sie geglaubt, dadurch der unbedingten Notwendigkeit einer Eheschließung enthoben zu sein. Diese Freiheit hatte sie Großtante Josephine zu verdanken, die selbst eine alte Jungfer gewesen war. Margaret hatte sich vorgenommen, sich Zeit zu lassen und aus Liebe oder überhaupt nicht zu heiraten. Doch angesichts des Widerlings neben ihr, der diesen großherzigen Entschluss zu vereiteln
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