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Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Titel: Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA
Autoren: Attilio Bolzoni
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Vergeltung und Rache reden sollen, doch Totò Riina bat den Präsidenten des Schwurgerichts um das Wort und sagte: »Ich spreche nicht mit Leuten von niedriger Moral. Mein Großvater wurde mit vierzig Jahren Witwer, allein mit fünf Kindern, aber er suchte sich keine andere Frau. Meine Mutter wurde mit sechsunddreißig Jahren Witwe. Wir in Corleone leben alle moralisch anständig.« Das war eine Anspielung auf das turbulente Liebesleben Buscettas. Der Mafiaaussteiger gab eiskalt zurück: »Totò Riina wirft mir Frauengeschichten vor – dass ich mehrere Frauen gehabt habe. Dabei ist er für den Tod meiner Kinder und meiner Angehörigen verantwortlich, er hat viele Unschuldige niedermetzeln lassen. Es stimmt, ich habe an die Frauen gedacht, während du allein mit deiner Frau ins Bett gegangen bist, weil du bloß für die Cosa Nostra Zeit hattest.« Das war die vielleicht schlimmste Kränkung, die Totò Riina je in seinem Leben zu ertragen hatte: dass jemand so über seine Frau sprach und in sein Privatleben und seine Intimität eindrang.
    Ehebruch gefällt der Cosa Nostra natürlich noch weniger, wenn es die Frau ist, die den Verrat begeht und die Ehre der Familie »besudelt«. In diesem Fall wird ein Exempel statuiert.
    Einigen Kronzeugen zufolge ordnete Antonio Pipitone, der Boss des Viertels Acquasanta in Palermo, 1983 die Ermordungseiner Tochter Rosalia an. Sie war verheiratet, hatte aber ein Verhältnis mit einem Cousin zweiten Grades. Der Mord geschah in einer Drogerie mitten in Acquasanta. Zwei Auftragskiller täuschten einen Raubüberfall vor und brachten die Frau um, die sich in dem Laden aufhielt. Am Tag nach dem Mord beging der Geliebte und Cousin, Simone Di Trapani, Selbstmord. Die Ehre war gerettet.
    Ein paar Jahre zuvor hatte ein anderer Boss der Cosa Nostra, Giuseppe Lucchese, seine Schwester Giuseppina und seine Schwägerin Luisa Gritti eigenhändig umgebracht. Auch sie hatten außereheliche Beziehungen. In einer Mafiafamilie darf es keine »Gehörnten« geben.
    Wenn einer, der alle Voraussetzungen aufweist, um ein Ehrenmann zu werden, eine übel beleumundete Schwester hat – »Missratene« nennt man sie in diesem Milieu –, wird er schwerlich zur Cosa Nostra zugelassen. Ehebruch wird bei den Ehrenmännern toleriert, bei den Frauen nie. Im Gespräch über die Beziehungen zwischen Männern und Frauen meinte der Mafioso Gaspare Mutolo: »Unsereins hat immer darauf geachtet, welches Bild er abgibt.«
    25. Welche Einstellung haben die Mafiosi zur Homosexualität?
    Wenn die ungeschriebenen Gesetze der Cosa Nostra außereheliche Beziehungen verbieten, dann erst recht homosexuelle. Vor vielen Jahren kursierte in Palermo das Gerücht, der Boss einer Familie im Ostteil der Stadt sei schwul. Wahrscheinlich war es erfunden. Wer es in Umlauf gebracht hatte, war auf jeden Fall leichtsinnig: Einen Boss als Schwulen zu bezeichnen hieß, sein Leben zu riskieren.
    Die Zeiten haben sich kaum geändert. Ein bekennender Schwuler wird nie in der Cosa Nostra aufgenommen werden, man wird ihn nie zum Initiationsritual mit dem brennenden Heiligenbildchen in der Hand zulassen. In einer geschlossenen Gesellschaft wie der sizilianischen Cosa Nostra wird Homosexualitätniemals akzeptiert oder auch nur toleriert werden. In einem kürzlich veröffentlichten Interview behauptete der Oberstaatsanwalt von Palermo, Antonio Ingroia, es gebe homosexuelle Mafiosi, die sich nicht outen. Wer sich als schwul outet, ist in der Cosa Nostra verloren.
    In den USA sieht es nicht viel anders aus. Es stimmt zwar, dass Johnny D’Amato, ein Boss der Familie Cavalcante in New Jersey, der die Drehbuchautoren zur US-amerikanischen Fernsehserie
Die Sopranos
inspirierte, homosexuell war. Aber es trifft auch zu, dass ein anderer Mafioso aus seiner Familie, Anthony Capo, ihn auf Befehl von Stefano Vitabile umbrachte, »weil Johnny mit anderen Männern herummachte«.
    1992, unmittelbar nach dem tödlichen Bombenanschlag auf Paolo Borsellino und seine fünf Leibwächter, bezichtigte der Mafiaaussteiger Vincenzo Scarantino sich selbst, das mit Sprengstoff beladene Auto gestohlen zu haben (vgl. auch Kap. 104). Im Verlauf des Prozesses kam heraus, dass Scarantino Beziehungen zu Transvestiten unterhielt. Die Verteidiger nahmen diese Information als Beleg für die mangelnde Glaubwürdigkeit Scarantinos: »Er weiß nichts, er ist kein Ehrenmann, weil er homosexuell ist.« Tatsächlich wusste Scarantino aus vielen anderen Gründen kaum etwas, aber seine sexuellen
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