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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers
Autoren: Susanne Stein
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jenem Abend war ihr zum ersten Mal bewusst geworden, was in ihrem Leben fehlte – die Liebe.
    Ihr Großvater väterlicherseits war ein berühmter »trovatore« gewesen und hatte am Hof des Kaisers Barbarossa vor den Großen und Mächtigen des Reiches gesungen. Er hatte wunderschöne Gedichte geschrieben, und Bianca verehrte diesen Mann, seit sie eines seiner Bücher entdeckt hatte. Auch er war auf den Namen Manfred getauft worden und beklagte mit zärtlichen Worten Gefühle zu einer Frau, die seine Liebe nicht erwidert hatte.
    Bianca hatte ihren Großvater nie kennengelernt, aber in ihren Träumen sprach sie oft mit ihm und hoffte, dass er stolz auf seine Enkelin sein würde, denn sie schrieb selbst gelegentlich Gedichte, achtete aber sorgfältig darauf, dass dies ihrem Bruder verborgen blieb. Manfred hatte nicht das geringste Verständnis für irgendeine Art von Zeitverschwendung. Und Gedichte schreiben zählte für ihn zu einer der schlimmsten.
    Bianca schlenderte nachdenklich an den Rosen vorbei. Ihr Bruder hatte ihr schon gestern Abend in seiner gewohnt herrischen Art eine Nachricht bringen lassen. Er erwarte Gäste für den heutigen Tag, einen mächtigen Ritter mit seinem Gefolge. Bianca solle sich bereithalten. Sobald er, Manfred, von dem morgendlichen Jagdausflug zurück sei, habe er mit ihr zu sprechen.
    Bianca lächelte wehmütig. Man brauchte keine große Vorstellungskraft, um zu ahnen, was er ihr sagen würde. Im vergangenen Monat war sie siebzehn Jahre alt geworden, und nach Manfreds Meinung war es höchste Zeit, sie zu verheiraten. Im Prinzip sei sie längst überfällig, hatte er erst vor kurzem schonungslos vor den Ohren der Dienerschaft behauptet.
    Bianca wusste, dass Manfred schon seit geraumer Zeit nach einem Mann suchte, dem er seine Schwester zur Frau geben konnte. Nach einem reichen, setzte sie in Gedanken dazu, denn die Familie Lancia war so gut wie bankrott.
    Einst hatte das Geschlecht der Lancias zu den wohlhabendsten Familien im Piemont gehört. Bianca kannte alle Geschichten über den Großvater, der zwar als Troubadour einer der besten, als Verwalter seiner Ländereien jedoch ein Versager gewesen war. Es war ihm nicht gelungen, den Reichtum der Familie zusammenzuhalten. Stück für Stück hatte er den Besitz verkauft, und von der früheren Pracht war wenig geblieben.
    Bianca und Manfred waren die Letzten der Lancias, ihre Eltern seit Jahren tot. Ihre Mutter starb bei Biancas Geburt. Ein ungewöhnlich großer Blutverlust und ein nachfolgendes hohes Fieber hatten die Gräfin Lancia so geschwächt, dass sie den nächsten Tag nicht überlebt hatte. Ihr Vater fiel im Kampf gegen marodierende Soldaten.
    Bianca war von ihrer Amme Giovanna aufgezogen worden, und niemand stand der jungen Gräfin Lancia so nah wie diese Dienerin. Die beiden Geschwister respektierten sich zwar, aber zärtliche Gefühle hatten Manfred und Bianca nie füreinander gehabt.
    Bianca blickte auf und entdeckte Giovanna auf dem Weg in den Kräutergarten. Wie immer trug die Amme ein dunkles Gewand und eine helle Haube, die das gesamte Haar bedeckte. Und wie immer war sie in Eile. Sie hob ihren Rock bis zur Wade und lief in dieselbe Richtung. Das kühle, weiche Gras unter ihren nackten Füßen schluckte das Geräusch ihrer Schritte.
    »Giovanna, ist mein Bruder schon zurück?«
    »Nein, meine Liebe, aber er wird bald kommen. Beeil dich, du kannst ihm nicht barfuß und voller Grasflecke gegenübertreten.« Die Amme sah ihre Ziehtochter traurig an. »Es ist so weit, Süße, Manfred hat einen Mann für dich gefunden, und wir beide werden Lebewohl sagen müssen.«
    »Unsinn, Giovanna. Wir werden uns nie trennen. Wenn ich die Burg verlassen muss, gehst du mit mir. Ich werde ganz sicher nicht ohne ein vertrautes Gesicht mit einem fremden Mann in einen fremden Palast ziehen.«
    »Aber Bianca, das ist der Lauf der Welt und das Schicksal der Frauen. So ist es schon immer gewesen. Sagt nicht der Herr, das Weib soll dem Manne untertan sein?«
    Bianca seufzte und schwieg. Heute Morgen wollte sie nicht streiten. Und schon gar nicht mit Giovanna. Aus Liebe zu ihrer Amme gab sie oft nach. Doch so sanftmütig sie Giovanna begegnete, so starrsinnig benahm sie sich gegenüber Manfred. Auch wenn sie ihm Gehorsam schuldete – Bianca dachte nicht daran, seine Wünsche oder auch Befehle widerspruchslos hinzunehmen.
    Giovanna, die das aufbrausende Temperament ihrer Ziehtochter kannte, zog Bianca fest in die Arme.
    »Was auch immer passiert, glaube
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