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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers
Autoren: Susanne Stein
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gefüllt hatte, und trank einen Schluck kühles Wasser. Bianca wählte einen einfachen Rock, dazu eine Leinenbluse, und zog sich an.
    Ihr langes blondes Haar, das ihr wie ein seidiger Vorhang bis auf die Hüften fiel, flocht sie zu einem Zopf und steckte ihn mit Nadeln und Kämmen am Kopf fest. Giovanna würde sie später frisieren, aber jetzt blieb dazu keine Zeit.
    Bianca beeilte sich, denn im Osten schob sich schon die Sonne wie eine rote Scheibe über den Horizont, und sie wollte um keinen Preis das frühe Morgenlicht, das den Garten auf eine besondere Art verzauberte, versäumen.
    Die Mägde und Knechte waren alle schon auf den Beinen, und als Bianca durch den Innenhof der Burg lief, hatten sie die Pferde für den Grafen Lancia und seine Ritter bereits gesattelt.
    Wie jeden Morgen stank der Innenhof nach frischem Pferdemist, und die Jagdhunde ihres Bruders gruben im Dreck nach Knochen und anderen Küchenabfällen. Der schwere Pferdegeruch überlagerte den feinen Duft von frischgebackenem Brot, der aus der warmen Küche in den Hof zog.
    Bianca lächelte und dachte an das knusprige Brot, das sie später mit etwas Butter essen würde. Sie liebte die einfachen Speisen – Brot, Obst, Gemüse. Die fetten Braten, die die Ritter ihres Bruders mit Vorliebe verschlangen, verursachten ihr Übelkeit. Wenn es nach ihr ginge, würde sie überhaupt kein Fleisch anrühren – aber Bianca wusste sehr wohl, dass so ein Bekenntnis nicht ganz ungefährlich war. Nur Ketzer aßen kein Fleisch. Und der Ketzerei verdächtig zu sein konnte den Tod bedeuten. Ein Gedanke, den sie an diesem perfekten Morgen schnell verscheuchte.
    Bianca durchquerte den Burghof mit schnellen Schritten und betrat den Garten durch ein Holztor mit filigranen Schnitzereien. Sobald sie sich vor neugierigen Blicken sicher fühlte, setzte sie sich ins Gras und betrachtete eine Rose. Die Blätter waren noch feucht vom Tau, die samtigen Blüten zu dieser frühen Stunde fest geschlossen. Am Himmel zeigte sich schon hier und da ein perfektes Blau, und Bianca ahnte, dass ihr ein weiterer heißer Julitag bevorstand.
    Ihre schmalen Finger strichen zärtlich über die Knospen. »Du bist die Schönste von allen«, flüsterte sie der Blume zu, und ihre Augen folgten dem gewundenen Pfad durch den Rosengarten. Links und rechts sah sie Alba- und Gallicarosen in den zartesten Cremetönen.
    Der Rosengarten war nur klein, denn die Blumen waren zu kostspielig, um sie in großen Mengen anzupflanzen. Aber man hatte ihn so geschickt angelegt, dass niemandem seine geringen Ausmaße auffielen. Biancas Großmutter hatte mit der Rosenzucht begonnen und ihr Wissen für alle nächsten Generationen in einem kunstvoll bemalten Buch festgehalten.
    Bianca liebte den Garten. Es gab keinen Rosenstock, den sie nicht kannte, und besonders jetzt im Juli konnte sie sich keinen schöneren Platz vorstellen. Es duftete betörend, und sie spürte hier eine Art von Sinnlichkeit, die sie nicht in Worte zu fassen vermochte. Dieses Gefühl gab ihr Ruhe und war zugleich Kraftquelle für einen Alltag, der nur wenige glückliche Momente für sie bereithielt.
    Gleich hinter dem Rosengarten lagen die Obstwiesen, daran grenzte der Gemüsegarten mit seinen Beeten für Lauch, Endivien, Kresse, Gurken, Schalotten, Kohl und Rauke, und noch ein kleines Stück weiter gelangte man in den Kräutergarten, wo es würzig nach Minze, Basilikum, Thymian, Rosmarin und Majoran roch.
    Bianca raffte ihren weiten Leinenrock, stand auf und sah sich lächelnd um. Mein kleines Paradies nannte sie ihren Garten, und hier fühlte sie sich wie die Königin eines verwunschenen Landes. Sie saß oft allein und ungestört auf einer Bank und versank in den wenigen Mußestunden, die ihr blieben, in romantischen Tagträumen.
    Ihre Lieblingsgeschichte war die traurige Liebe von Tristan und Isolde, die der Minnesänger Gottfried von Straßburg an den Höfen erzählte.
    Viele Troubadoure kannten inzwischen die Sage von der schönen Isolde und dem tapferen Tristan, die voneinander nicht lassen konnten, weil sie verzauberten Wein getrunken hatten, und trugen sie von Land zu Land und von Hof zu Hof über die Alpen in den Süden.
    Als Bianca das erste Mal einen Sänger gehört hatte, der das Schicksal der beiden Liebenden zu seiner Laute vorgetragen hatte, waren ihr gegen ihren Willen die Tränen gekommen.
    Normalerweise weinte sie selten und wenn, dann niemals in Anwesenheit ihres zehn Jahre älteren Bruders, des Grafen Manfred Lancia. Aber an
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