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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers
Autoren: Susanne Stein
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an deine Träume, und bleibe so, wie du bist.«
    »Gestern ist mir im Schlaf ein Engel begegnet«, erwiderte Bianca zögernd. »Um mich herum tobte ein schreckliches Feuer. Menschen schrien, und die Luft roch nach verbranntem Fleisch. Der Engel sah mich an, dann war er fort.«
    Giovanna wurde blass.
    »Glaubst du an Träume, Giovanna?«
    »Träume sind Bilder, nach denen du dich sehnst, oder solche, die du fürchtest. Aber manchmal sprechen Träume auch die Wahrheit.«
    »Und denkst du, der Engel wird an meiner Seite sein, wenn ich ihn brauche?«
    »Das weiß nur einer allein. Und wenn es Gottes Wille ist, wird es so sein.«
    Jede der beiden Frauen hing einen Augenblick lang ihren Gedanken nach. Dann durchbrach lautes Rufen und der Lärm galoppierender Pferde die Stille.
    »Mein Bruder ist zurück. Bete für mich«, flüsterte Bianca.

B ianca spürte, dass ihre Hände zitterten, und krampfhaft hielt sie hinter ihrem Rücken die Finger verschlungen. Sie richtete ihren Blick starr auf die beiden schweren gekreuzten Schwerter an der Stirnseite der Wand und wagte es nicht, ihrem Bruder direkt in die Augen zu sehen. Zum einen, weil sie fürchtete, ihre Tränen nicht länger zurückhalten zu können, zum anderen, weil die Erfahrung sie gelehrt hatte, dass auch nur die Andeutung von Trotz in ihrem Blick Manfreds Stimmung weiter verschlechtern würde. Die Geschwister hatten schon zu viele Kämpfe ausgefochten, als Kinder auf spielerische Art, doch seitdem beide erwachsen waren, hatten sich tiefe Gräben zwischen ihnen aufgetan.
    Aber noch nie hatte Biancas Bruder seinen Zorn so offen gezeigt. Jedes Mal, wenn seine Schwester widerspenstig ihre Stacheln aufgestellt hatte, war der Streit letztlich zu ihren Gunsten ausgegangen. Trotz seines aufbrausenden Temperaments war Manfred ein Mann, der den Frieden liebte.
    »Du tust, was ich dir befehle. Und auch wenn du dich noch so sträubst, ich werde keinen Schritt nachgeben«, drohte er.
    Vor Aufregung sprühten Speicheltröpfchen aus seinem Mund. Ein paar trafen Bianca im Gesicht, aber sie wagte es nicht, über ihre Wange zu wischen. Sie brauchte alle Kraft, ihrem Bruder aufrecht entgegenzutreten.
    »Du wirst die Gemahlin des Grafen von Tuszien. Mehr habe ich dir nicht zu sagen. Und ich warne dich, Bianca, deine Einwände sind nichts als Überspanntheit. Du solltest längst verheiratet sein und Kinder haben. Es ist meine Schuld, dass du dir in unserer Abgeschiedenheit Ideen in den Kopf gesetzt hast, die einer Frau nicht anstehen. Das muss ein Ende haben.«
    Bianca atmete tief durch und drängte die Tränen zurück.
    »Ich weiß selbst, dass wir verarmt sind und dass du mir keine große Mitgift geben kannst. Aber muss ich deshalb wie ein Stück Vieh an den verkauft werden, der am meisten zahlt? Enzio Pucci ist ein ungebildeter Klotz, der nicht lesen und nicht schreiben kann. Mein Bruder, ich bitte dich, tu mir das nicht an. Nicht diesen Mann.«
    »Lesen und schreiben? Seit wann müssen Ritter lesen und schreiben können? Der Graf von Tuszien ist im Kampf noch niemals besiegt worden. Das sind die Tugenden eines Mannes. Was willst du? Einen Minnesänger? Hör auf zu träumen, Bianca.«
    »Wer sagt, dass ich träume? Ich fordere nur eins – ein bisschen Liebe«, flüsterte Bianca und wusste, dass sie die Zärtlichkeit, die ihrem Leben fehlte, von ihrem Bruder niemals bekommen würde. Und erst recht nicht von Enzio Pucci.
    »Liebe. Bist du von Sinnen?«
    Manfred spuckte ihr die Worte entgegen, und Bianca sah, dass er sich nur mühsam beherrschte. Wie oft hatte sie halsstarrig wie ein Esel ihren Willen durchgesetzt. Und er hatte nachgegeben, um seine Ruhe zu haben. Aber diesmal würde sie verlieren. Dieses Mal war Manfred der Stärkere.
    Die Geschwister starrten sich feindselig an.
    »Du wirst mich also dieser Heirat nicht entkommen lassen«, sagte Bianca fassungslos. »Du wirst mich, ohne dass dich dein Gewissen plagt, einem Mann ausliefern, der mich wie eine Sklavin halten wird. Wird er es zulassen, dass ich mit meinem Falken jagen gehe? Nein. Wird er meine Bücher ehren? Bestimmt nicht. Der Mann ist ungebildet wie ein Bauer. Er wird meine Gedichte nie verstehen.«
    »Deine Gedichte?«, knurrte Manfred. »Deine Gedichte? Was soll das heißen?«
    Biancas Tränen flossen jetzt ungehemmt. Noch ein falsches Wort, und Manfred würde sie aus dem Haus jagen. Es gab schreckliche Geschichten, die sich die Frauen manchmal zuflüsterten. Geschichten von untreuen Ehefrauen, alten Witwen oder
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