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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese
Autoren: Martin Krist
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Tag. Sie seufzte. Erneut fielen ihr die Haare ins Gesicht.
    »Warten Sie«, sagte ein Mann neben ihr, »ich helfe Ihnen.«
    Laura schob die Strähnen beiseite. Durch das Schaufenster sah sie, wie sich der Schulbus der Haltestelle näherte. Die Kinder und Jugendlichen drängten sich an den Straßenrand. Erschrocken sprang sie auf. »Würde es Ihnen etwas …?«
    »Ach was!« Er hob zwei Blechbüchsen auf. »Ich erledige das.«
    »Danke, das ist nett von Ihnen, Herr …«
    »Lindner. Alex Lindner. Wir sind uns schon ein paarmal im Ort begegnet.«
    »Ja, bestimmt.«
    »Mir gehört die Elster .«
    »Ach so, ja.« Sie hatte ihre Tochter einige Male spätabends mit anderen Jugendlichen vor der alten Kneipe am Dorfplatz erwischt. Laura machte einen Schritt auf ihren Sohn zu.
    »Also«, sagte Lindner, »bestimmt haben Sie schon …«
    »Entschuldigung«, unterbrach sie ihn, »aber der Schulbus.«
    »O ja.« Er errötete. »Natürlich.«
    »Nochmals vielen Dank.« Sie nahm Sam an die Hand und schnappte zwei belegte Sandwiches aus der Kühltheke. Auf dem Weg zur Kasse begegnete sie noch einmal Lindners Blick. Er lächelte verlegen.
    Alex Lindner blieb in dem schmalen Gang zurück. Er war eingepfercht zwischen Regalen mit Ravioli und Waschpulver und stand in einem Meer zerbeulter Fielmeister’s Beste . Sein Blick fiel auf die beiden Suppendosen in seinen Händen. Das Beste vom Tag. Er wurde das Gefühl nicht los, sich wie ein Teenager benommen zu haben.
    »Junger Mann?«
    Hinter ihm klapperte eine alte Dame ungeduldig mit ihrem Rollator. Alex trat beiseite. Während die Frau ihre Gehhilfe an dem Blechteppich vorbeibugsierte, versuchte er sich an ihren Namen zu erinnern. Vergeblich. Es war zu früh, und er war zu müde. Mit einem Gähnen stellte er die Konserven auf das Regal und bückte sich nach den anderen. Er hatte die Hälfte zu einer Pyramide gehäuft, als ein unrasiertes Gesicht über dem Einkaufsregal auftauchte.
    »Na, sieh mal einer an!«, sagte Ben grinsend.
    Neben ihm erschien Paul. »Er hat sich einen neuen Job gesucht.«
    »Er hat auf uns gehört.«
    »Klar hat er das. Wir sind schließlich seine Freunde.«
    »Freunde? Ihr?« Alex klaubte weitere Suppendosen vom Boden auf. »Da brauch’ ich keine Feinde mehr.«
    »Oho«, riefen Ben und Paul im Chor.
    »Der Herr ist gereizt.« Ben schritt um das Regal herum und half Alex, die Dosen zu stapeln. »War wohl wieder spät letzte Nacht.«
    »Oder«, sagte Paul glucksend, »er ist sauer, weil er sich eine Abfuhr eingefangen hat.«
    Alex hob die letzte Büchse auf. »Erzähl keinen Scheiß!«
    »Hey, Mann, wir haben’s mit eigenen Augen gesehen.«
    »Gar nichts habt ihr gesehen.«
    »Siehste«, Paul stieß Ben mit dem Ellbogen an, »hab ich dir doch gleich gesagt, die alte Krause mit ihrem Gehbänkchen will nichts von ihm wissen.«
    Alex blickte in die feixenden Gesichter seiner Freunde. Er konnte nicht anders, er lachte, während er zur Kühltheke ging und daraus Kochschinken, Käse und Butter entnahm. Er gähnte.
    »Also doch«, sagte Paul, der sich Brot und Erdbeerkonfitüre auf die Arme geladen hatte. »Gestern ist es spät geworden.«
    »Kann sein.«
    Alex sah, wie die alte Dame ihren Rollator in einen anderen Gang schob. In diesem Moment fiel ihm auch ihr Name wieder ein: Krause. Ihr Mann, Anton Krause, gehörte zu den Stammgästen der Elster . Zu denjenigen, die Alex insgeheim »Barhocker« nannte, die morgens um drei oder vier Uhr gerne noch ein Helles und einen Korn bestellten.
    »Da bist du selber schuld«, wetterte Paul, »wir haben dich gewarnt.«
    Alex winkte ab.
    »Aber du musstest dir ja die Kneipe aufhalsen. Glaubst du wirklich, dass du …«
    Alex ließ ihn nörgeln. Er sah Laura Theis an der Kasse stehen. Sie war zierlich und hatte lange schwarze Haare, die in wirren Strähnen ein apartes Gesicht mit hoher Stirn und dunkel umrandeten Augen rahmten. Darunter befanden sich eine schmale Nase und ein Mund mit vollen Lippen. Alex vermutete, dass sie ein hübsches Lachen hatte, das sie aber selten zeigte.
    Es gab einige Gerüchte, die unter den Barhockern über sie kursierten. Demnach war ihr Mann mit ihrer besten Freundin durchgebrannt und hatte sie mit den Kindern alleingelassen. Außerdem hatte er die Hypothek für das Haus nicht beglichen und ihre Erbschaft verspekuliert.
    »Hey, Mann, hörst du mir überhaupt zu?«, rief Paul empört.
    Alex löste seinen Blick von Laura Theis, deren Handy in diesem Moment zu klingeln begann.
    Genervt presste Laura
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