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Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers
Autoren: Markus Heitz
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allem erfahren.
    Die Flucht war vielleicht doch nicht unmöglich, seine ihm geraubte Ausrüstung könnte er gewiss aufstöbern, und wie es weiterging, war lediglich eine Frage von guter Planung. Er würde sich eine Route die Hänge entlang suchen, auf der ihm kein Aufseher folgen konnte. Sobald er eine Telegrafenstation erreicht hatte, war es um den Palast auf dem Korumdie geschehen. Waltow, Gogol, Ling bekamen ihre Rache, und wenn er die Truppen selbst hierher führen musste: Er wollte dieses Gebäude in Flammen sehen.
    Ein gewaltiger Schatten huschte über die Fenster hinweg und ließ den Saal für ein, zwei Lidschläge in Dunkelheit fallen.
    Xing hob den Kopf, ein Leuchten lag in ihren braunen Augen. »Er ist schon wieder zurück?« Sie richtete ihre Kleidung, zupfte daran herum und eilte auf den Ausgang zu. Für Maxim benahm sie sich wie ein Mädchen, das zu ihrem Liebsten ging. »Los, komm. Und keine Sorge«, zwinkerte sie, »ich werde heute noch einmal für dich lügen. Ich will nicht, dass der Herr böse wird.«
    Der Russe begleitete sie den abschüssigen Gang entlang, vorbei an Türen zu weiteren Sälen, in denen sich der Tyrann bei seinen Aufenthalten im Palast die Zeit vertrieb. Oft malte er in seinem Atelier oder spielte stundenlang Cello im Musikzimmer, und wenn ihm danach war, nahm er sich Frauen, mit denen er sich vergnügte. Manche von ihnen hatte Maxim seither nicht mehr gesehen. Als hätte es sie niemals gegeben.
    Sie erreichten die burggroße Eingangshalle, in der sich bereits Bedienstete versammelt hatten. Die Mehrheit von ihnen rechnete Maxim seinem Volk zu, aber auch einige Chinesen befanden sich unter ihnen. Die Sprache einer Frau und eines Mannes, den Gesichtern nach Europäer, verstand er gar nicht. Er vermutete, dass sie aus Frankreich stammten.
    Auch hier sorgten Glühlampen in den unzähligen Lüstern und Leuchtern für gleichmäßiges Licht.
    »Los, los, ihr Schlafmützen!«, rief Tjushin, ein älterer Russe in einem weißen Zobelmantel, der die Aufgabe des Majordomus innehatte und die Knute an seinem Gürtel nicht zur bloßen Zierde trug. Er war einst Bojar gewesen, nun verwaltete und organisierte er die Abläufe im Palast im Sinne des Tyrannen mit solch einer Hingabe, dass Maxim im Stillen beschlossen hatte, ihn vor der Flucht zu töten.
    »Aufstellen, aber rasch!« Tjushin deutete mit dem Arm eine Linie an, zog mit dem anderen die Knute. »Ihr wisst doch, was ich will. Das muss schneller gehen!« Er schlug nach einer Frau, die den Fehler begangen hatte, zu dicht an ihm vorbeizueilen. Sie wimmerte auf; die Bleikügelchen an den Enden der Lederriemen trafen sie am Hinterkopf. Ohne die Kappe wäre die Haut sicherlich aufgeplatzt. Tjushin scheuchte die Menschen stets wie Vieh, ganz gleich, ob sie dem Tyrannen freiwillig oder erzwungenermaßen dienten.
    Maxim sah die Männer und Frauen laufen, suchte in ihren Gesichtern nach Zeichen des Aufbegehrens. Ein Stirnrunzeln, ein lautloses Fluchen, ein viel sagender Blick genügten ihm, um einen Gleichgesinnten zu erkennen, der sich ihm bei der Flucht anschließen würde. Bitte, Herrgott, lass mich einen oder zwei finden, flehte er. Sie kö n nen das nicht alle willenlos mit sich machen lassen.
    Tjushins Blick fiel auf Xing und Maxim. »Du, mein kleines Gelbgesicht: Ist das Schlafgemach gerichtet?« Die Knute deutete auf die zierliche Frau.
    »Sicher«, erwiderte Maxim an ihrer Stelle. »Sie hat alles brav befolgt, was du ihr aufgetragen hast, Menschenschinder.«
    »Nicht«, raunte Xing und sah ihn flehend an. »Tjushin wird dem Herrn von deinem…«
    Der Majordomus kam auf ihn zu, er griente voller Vorfreude. »Du aufsässiger Bastard! Dich schlage ich am liebsten«, schrie er und holte zu einem brachialen Hieb aus, als ihn ein Ruf vom Tor her ablenkte. Eine grüne Lampe neben dem verschlossenen Eingang leuchtete auf. Die Sicherungsmannschaft im Ausguck gab den Menschen im Innern des Berges auf diese Weise das Zeichen, dem Tyrannen zu öffnen.
    »Ich zeige dir, wie aufsässig ich sein kann.« Maxim konnte nicht anders, seine unterdrückte Wut auf den Herrn des Palastes suchte sich ein Ventil. Er schlug Tjushin die Faust mitten ins Gesicht. Knirschend brach die Nase, und ein Strom von Blut ergoss sich daraus. Der Zobel färbte sich auf der Brust und über dem Bauch rot.
    Brüllend taumelte der Getroffene rückwärts und versuchte mit seiner rechten Hand, die Blutung aufzuhalten.
    »Packt ihn«, rief Tjushin undeutlich, und zwei der Bediensteten
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