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Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers
Autoren: Markus Heitz
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bisschen gelohnt.«
    Xing schleppte sich vorwärts, durch den Gang zurück quer durch den Palast zur Eingangshalle, und versuchte, an nichts zu denken, was ihre Lage verschlimmerte.
    Der rote Drache saß noch immer vor dem Tor und sein Schwanz zuckte wie der einer ungeduldigen, aufgeregten Katze.
     

I.
     
    »Siegfried bekämpfte sie. Beowulf starb durch sie. Der heilige Georg tötete einen. Einen von vielen. Es gab sie schon immer, zu allen Zeiten, in allen Kulturen der Völker der Welt. Babylonische Könige, antike Helden, römische Gelehrte, christliche Streiter standen ihnen gegenüber. Unzählige Schriften, vom Gilg a mesch-Epos bis zur Bibel, zeugen davon. Die Schrecklichsten u n ter ihnen trugen Namen wie Leviathan, Tiamat, Hydra, Python, Jörmungand, Grendel, Tarasque oder Fafnir – einst als Ung e heuer gefürchtet, dann von Helden nahezu ausgerottet. Nahezu…
    Noch immer kriechen oder fliegen ihre vielgestaltigen Nachko m men aus ihren Verstecken, verbreiten Schrecken unter uns Me n schen, bis wackere Kämpfer erscheinen, um sie zu bezwingen, wie es Generationen von Kämpfern vor ihnen taten. Bis heute. Bis 1924. Wir wollen ihnen ein Denkmal aus Worten und Bildern bauen.«
     
    Vorwort zur Serie ›Drachentöterinnen und Drachentöter im Ve r lauf der Jahrhunderte‹,
     
    Im ›Münchner Tagesherold‹, Königlich-Bayerisches Hofblatt vom 1. Juni 1924

1. Januar 1925, Reichshauptstadt Berlin, Königreich Preußen, Deutsches Kaiserreich
     
    »Entschuldigung, mein Herr, aber sind Sie Gast in unserem Haus?« Onslow Skelton blickte zwischen den Angestellten in den einschüchternd voluminösen Kutschermänteln und mit den dazu passenden hohen Hüten hin und her. Sie verbarrikadierten den Eingang des Hotels Adlon stilvoll und drohend zugleich. Er musste an die Kraftmeier im Zirkus oder Preisboxer auf dem Jahrmarkt denken. Gleich zwei solche schlagkräftige Vertreter ihrer Art hatte man als Aufpasser eingekauft und sie als Wächter aufgestellt. Offenbar konnte nur der Linke der beiden sprechen; der andere beschränkte sich darauf, böse und abweisend zu lächeln.
    Es war offensichtlich, dass Onslow Skelton nicht in die Welt der Reichen und Berühmten gehörte, die hinter der klassisch anmutenden Fassade des berühmten Hotels übernachteten oder sogar für längere Zeit hier lebten. Der deutsche Kaiser war, wenn er keine Lust auf das zugige Stadtschloss verspürte, hier ebenso anzutreffen wie europäische Könige oder indische Maharadschas, Schauspieler wie Charlie Chaplin oder geniale Köpfe, die den Namen Sauerbruch und Einstein trugen. Die Creme de la creme, exotisch und einmalig durch ihr Erscheinungsbild oder ihre Tätigkeit.
    Onslow Skelton dagegen war nichts von alledem.
    Anstatt Pelzen trug er karierte Hosen, ein weißes Hemd mit einem karierten Pullunder, darüber ein dickes Wollsakko gegen die winterliche Kälte. Die Cordmütze auf den kurzen schwarzen Haaren, die von Pomade zu einem exakten Mittelscheitel gezwungen worden waren, hatte nichts mit einer Krone gemein. Nur das dunkle Oberlippenbärtchen und die langen Koteletten gaben ihm etwas von einem Dandy – wenn die runde Jungenbrille nicht gewesen wäre. Die penibel gepflegte Aktentasche aus schwarzem Leder machte seinen Auftritt nicht besser.
    Skelton verstand Deutsch, antwortete aber in reinstem Britisch. Unter Umständen ging er auf diese Weise als versnobter, spleeniger Lord durch. »Nein, noch bin ich es nicht, Sir. Und sollte es mir nicht gelingen, jemals an Ihnen vorbei zu gelangen, werde ich es auch nie sein können.«
    Der Mann lächelte. »Haben Sie Gepäck, Sir?« Er wechselte ansatzlos, wenn auch mit dem typischen deutschen Akzent, ins Englische.
    »Wie Sie unschwer erkennen können, nein. Im Übrigen beabsichtige ich, einen Ihrer Gäste zu besuchen, Sir, und sollte ich nicht pünktlich zu meiner Verabredung erscheinen, werde ich Ihrem Gast Ihren Namen nennen. Ich bin mir sicher, dass Herr Adlon sehr begeistert sein wird, wenn er von Knjaz Zadornov über den Diensteifer seiner Angestellten informiert wird.« Skelton bleckte die Zähne und wartete, bis die Worte ihre Wirkung getan hatten.
    »Verzeihen Sie, Sir. Ich hielt Sie für einen Reporter.« Der Mann legte die Rechte an den Hutrand, deutete Verbeugung und Entschuldigung gleichermaßen an, dann öffnete er ihm die Tür. »Melden Sie sich bitte beim Empfang an, Sir.« Er gab seinem Kollegen einen Wink, Skelton zu begleiten – vermutlich, um ihn gleich wieder an die Luft zu
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